Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
erworben haben. Es war schlank mit einem langgestreckten schmalen Kopf und wahrscheinlich aus Arabien eingeführt. Selbstbewußt, ja stolz saß er auf seinem Reittier und schaute schon erwartungsvoll zum Balkon hoch.
Silvia nahm Tiberio auf den Arm und Sandro an die Hand und trat auf den Balkon. Sie ließ die Kinder ihm zuwinken und winkte selbst. Giovanni strahlte. Er rief etwas, was sie nicht verstand, trabte zum Eingangsportal und sprang ab.
Kurze Zeit später trat er ihnen mit ausgebreiteten Armen entgegen. Silvias Herz schlug hoch bis in den Hals. Sie befahl Sandro, seinem Vater entgegenzurennen, und ließ auch den kleinen Tiberio loswackeln. Giovanni nahm beide in den Arm, drückte sie an sich, küßte sie. Sandro erzählte sofort, daß sie am Wasser gewesen seien. »Und Onkel Alessandro hat ganz viel mit uns gespielt.« Tiberio kam zu Silvia zurückgewackelt. Nun wollte Giovanni seine allerliebste Frau in die Arme schließen. Er stockte plötzlich, starrte auf ihren Bauch. Zuerst ging ein Strahlen über sein Gesicht, doch schnell wurde es abgelöst von ungläubigem, ja entsetztem Staunen.
Silvia wollte ihm einen Kuß geben, aber er wich zurück. Unwillig schüttelte er Sandro ab, der noch an seinem Mantel hing und von Capodimonte erzählte.
»Bist du in anderen Umständen?« fragte er beherrscht, aber bleich geworden.
Silvia nickte und versuchte, die Tränen zurückzuhalten.
Er wirkte erstarrt. »Kann ich überhaupt der Vater sein?«
Sie deutete ein Kopfschütteln an.
»Und wer ist es?« Er winkte ab. »Du brauchst es mir nicht zu sagen. Es ist nicht schwer zu erraten.« Sein Gesicht war leer vor Bestürzung. Er drehte sich um und verließ den Raum.
Während der nächsten Stunden saß Silvia an einem Fenster, das auf den Innenhof führte, und beobachtete, wie Giovanni die Fracht der Maulesel auspacken und die Kunstgegenstände aufstellen ließ, um sie auf Schäden zu überprüfen. Er warf ihr keinen einzigen Blick zu, und sie wagte nicht, hinunterzugehen und sich zu ihm zu gesellen.
Als Silvia schon im Bett lag, kam er schließlich zu ihr. Das Zimmer war nur von einem kleinen Öllicht beleuchtet, so daß sie seinen Gesichtsausdruck kaum erkennen konnte.
»Es kann nur der Farnese gewesen sein«, sagte er mit tonloser Stimme und warf einen kurzen Blick auf sie.
Sie deutete ein Nicken an.
Er setzte sich auf den Bettrand, seine Schultern eingefallen, sein Rücken krumm. So wie er dasaß, tat er ihr leid. Sie wußte nicht, wie sie ihm erklären sollte, was geschehen war. Die letzten Monate hatten sie durch die Hölle der Sehnsucht, Angst und Selbstzerfleischung geschleift. Sie liebte Alessandro, sie haßte ihn dafür, daß er sie in eine unlösbare Zwickmühle gebracht hatte, sie haßte sich selbst, daß sie nicht stark genug gewesen war, ihm – und ihren eigenen Wünschen – zu widerstehen, sie weinte, weil ihr Glück von einem lange zurückliegenden Mißverständnis zerstört worden war. Sie betete um ihre Errettung – aber Errettung hätte den Tod des in ihr wachsenden Wesens bedeutet, und sie wollte keine Todsünde begehen. Sie wollte auch nicht ihr Kind verlieren, denn es war sein Kind. Und es war ihr Kind.
Als sie jetzt Giovanni wiedergesehen hatte, war in ihr trotz ihrer Liebe zu Alessandro der Wunsch erwacht, sich mit ihm zu vereinigen. Giovanni mußte sie von dem anderen befreien. Auch wenn der andere in ihr heftigere Leidenschaften erregte. Giovanni mußte sich nehmen, was ihm zustand. Sie kannte ihre Gefühle aus den vorherigen Schwangerschaften. Sie fühlte sich stark und mutig und wild vor Begierden. Daher hatten sie auch die Wintermonate, eingesperrt in ihrem Palazzo in Rom, so gequält. Um sich abzulenken und gleichzeitig ihrer Erregung nachzukommen, hatte sie eine Liebesnovelle nach der anderen geschrieben. Und nun war Giovanni zurückgekehrt, saß neben ihr – vielleicht könnte sie, könnte er alles Vergangene auslöschen in einer lustvollen Wiederbegegnung, einem überbrückenden Wiedererkennen. Er durfte alles mit ihr tun, durfte ihr auch Schmerzen zufügen, er mußte sich als Mann erweisen, der zupackte, der strafte, der sich rächte – der aber auch verzieh und die Vaterschaft übernahm.
Sie berührte vorsichtig seine Schulter. Aber unwillig schüttelte er ihre Hand ab.
Dann schwiegen beide lange.
»Ich wäre ihm im übrigen beinahe begegnet«, erklärte Giovanni schließlich mit leiser Stimme. »Er hat sich dem Borgia angeschlossen. Sie führen Krieg in der Romagna,
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