Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
blendender Sonnenstrahl fiel in die Basilika direkt auf den Altar, auf den Lucrezia die Rose der ecclesia militans abgelegt hatte. O Herr, ist dies dein Zeichen? fragte er sich. Er wurde angestoßen. Er war an der Reihe, Cesare zu gratulieren. Wie er selbst merkte, wirkte er ein wenig müde und abgelenkt. Natürlich sah auch Cesare, daß die Glückwünsche kaum von Herzen kamen. Trotzdem drückte der Valentino ihn an seine Stierkämpferbrust.
»Eigentlich hätte ich dich längst in den Orkus befördern müssen, Gonella «, flüsterte er ihm ins Ohr. »Aber du hast mir das Leben gerettet, ich habe dir das Leben gerettet, und außerdem mag ich dich. Nur darfst du mich nie verraten, sonst erwürge ich dich eigenhändig. Aber vorher reißen wir beide noch der tigressa den Arsch auf. Ich weiß, du bist ein Mann, keine Memme. Und auch kein verfluchter Kastrat!«
Cesare hielt Alessandro ein Stück von sich weg, um ihm ins Gesicht sehen zu können.
»Ich hörte, du bist Vater geworden. Auch ich habe dir also zu gratulieren. Aber der Crispo wird deine Tochter nicht hergeben, und die arme Kleine wird nie wissen, ob sie nun eine Crispo oder eine Farnese ist, die Tochter eines Gockels oder eines Löwen. Das ist schlimm für sie, ganz schlimm. Nimm sie dir, sie ist dein Kind! Und wenn sich der Crispo sträubt – soll ich dir verraten, wie man sich einen Nebenbuhler vom Hals schafft? Es gibt viele Wege, die meisten sind ungefährlich. Wenn ich dir und deiner Silvia helfen soll – ich tu’s um der kleinen Costanza willen. Ein Wink genügt, sie wird eine Farnese, und ihr seid frei!«
57. K APITEL
Silvia fühlte sich so eingesperrt wie seit ihrer Jugend nicht mehr. Crispo hatte Bedienstete angestellt, die sie überwachen sollten – beschützen nannte er die Tätigkeit der Gefängniswärterinnen und Spione. Einmal hatte Silvia sogar ein Kammermädchen erwischt, das sich an ihrem Pult zu schaffen machte, gerade noch rechtzeitig, bevor sie das Schloß aufbrach. Sie hatte die Dienerin auspeitschen lassen, und schließlich gestand das Mädchen, der Herr selbst habe sie dazu beauftragt. Crispo stritt alles ab, ließ das Mädchen ein zweites Mal auspeitschen und jagte es dann aus dem Haus. Eine Weile schrieb Silvia überhaupt keine Geschichten mehr, und wenn, dann endeten sie düster, so düster wie die Stimmung im Hause.
»Ich sehe dunkle Wolken heraufziehen«, hatte Rosella nach dem Vorfall erklärt.
Aber da Rosella seit geraumer Zeit nur noch die Kassandra spielte, falls sie sich überhaupt ansprechbar zeigte, wollte Silvia nicht mehr viel auf ihre Worte geben. Zumal die dunklen Wolken nicht erst heraufzogen, sondern schon den Himmel verdüsterten.
Überhaupt hatte sich in ihre Freundschaft etwas eingeschlichen, was sie zu zersetzen drohte. Crispos Unterstellung, Rosella könnte an dem Überfall und dem Mord an der Mutter beteiligt gewesen sein, könnte ihn vielleicht sogar mit dem Vater gemeinsam geplant haben … Nein, dieser Gedanke war so bösartig, daß Silvia ihn nicht zu Ende denken mochte. Ihr Vater war immer nur das Opfer gewesen – des Ehrgeizes ihrer Mutter, der Machenschaften von Agostino Chigi und Vater Crispo, er war auch Rosellas Opfer –, und zum Schluß opferte er sich selbst. Ihr Vater war ein Heiliger.
Aber Rosella? Die Wegelagerer hatten ihr nichts getan, so behauptete sie wenigstens, und es gab für sie ein Motiv. Dies ließ sich nicht leugnen. Außerdem entstammte sie einer Familie, der man damals einiges nachsagte … Vorstellbar war es, aber Silvia wollte es nicht glauben. Und sie mochte auch nicht an den schrecklichen Vorfall erinnert werden.
In die Messe ging Silvia mit ihrem Gemahl, der sie in der Kirche auf die Frauenseite entließ, aber darauf achtete, daß eine ganze Schar von Dienerinnen sie umgab.
All dies war wenig erfreulich und erhöhte den Wunsch auszubrechen.
Zumindest ihre Kinder entwickelten sich so, wie es sich eine Mutter wünschte. Gottes Gnade schien über ihnen zu leuchten. Schon daß alle drei noch am Leben waren, bewies, daß das Schicksal es gut mit ihnen meinte. Sandro tobte mit Tiberio durch das Haus oder galoppierte auf seinem Steckenpferd über den Innenhof. Tiberio war ein verträumtes Kind, obwohl auch ihn die Wildheit packen konnte. Costanza wurde von ihr jetzt noch, ein Jahr nach der Geburt, gestillt – ein Kind, das immer nur lächelte, ja jeden anlachte, der es hochnahm, sogar Crispo, der immer wieder betonte, daß auch ihm Costanza ein liebes Kind sei.
Und der
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