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Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes

Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes

Titel: Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Berger
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ergreifen – und sich mit Aragon anlegen? Venedig, die Serenissima, erobern? Florenz angreifen? Mailand gar, das der allerchristlichste französische König für sich beanspruchte? War er nicht für all diese Mächte und ihre Herrscher nichts als ein päpstlicher Bastard, dem die Eroberung von zwei Städtchen mit Hilfe einer fremden Armee zu Kopf gestiegen war? Ein Meuchelmörder an seinem Bruder zudem? Auf der anderen Seite strahlte Cesare eine unbändige Kraft aus – und er besaß sie auch. Alessandro hatte ihn selbst in Forlì kämpfen sehen, er hatte gesehen, wie der Mann mit dem Stier im Wappen dem Stier den Kopf abschlug. Und wie die Frauen auf ihn flogen. Selbst Caterina Sforza, sosehr sie auch gedemütigt und vergewaltigt worden war von ihm, hätte wahrscheinlich nichts gegen ihn als ihren Liebhaber einzuwenden gehabt. Und dann die Selbstverständlichkeit, mit der er sich in das Zentrum der Aufmerksamkeit stellte! Die lässige Sicherheit des Auftretens!
    Und trotzdem. Überall prophezeiten Wahrsager und Astrologen ein Unglück. Der Stellvertreter Christi, der nur das Wohl seiner Familie im Sinn hatte und alle christlichen Gesetze und göttlichen Gebote, die man sich nur vorstellen konnte, übertrat, dieser Heilige Vater und sein unheiliger Sohn mußten sich irgendwann einmal den Zorn des Allmächtigen zuziehen. So es überhaupt einen Gott gab, mußte dieser Gott dazwischenfahren und die Familie Borgia zerquetschen wie eine Ansammlung von Kakerlaken. Und wenn er eine Krankheit sandte, die sie dahinraffte. Aber vorher zog sie noch eine Blutspur durch Rom und Italien. Alessandro brauchte nur an die Familie seiner Mutter, die Caetani, zu denken. Sein gemütvoller, dem Weine und den Apokryphen ergebener Onkel: im Kerker der Engelsburg verreckt. Zur Zeit hatte sogar Kardinal della Rovere, ihr Todfeind, klein beigegeben und schmeichelte sich bei ihnen ein. Und er, der Kardinaldiakon Farnese, der zwischen beiden stand, der noch immer den Auftrag hatte, die Borgia-Sippe auszuhorchen, mußte sich nach außen hin als Anhänger dieser Sippe geben.
    Alessandro beobachtete genau die Machtkämpfe zwischen den Fraktionen und die Winkelzüge, die jeder beherrschen mußte, wenn er sich nicht alsbald kaltgestellt sehen wollte. Die klug oder plump eingefädelten Intrigen, die verlogenen Abmachungen und die eigennützigen Beistandsversprechungen. Er begriff, daß er sich auf dieser Bühne der Lügen und Verstellungen zunehmend geschickter bewegte. Und er merkte mit Erstaunen, daß ihm dieses Spiel sogar Vergnügen bereitete.
    Auf der anderen Seite sehnte er sich nach seiner kleinen Tochter Costanza und ihrer Mutter. Nachts, wenn er die anstrengenden Tage noch einmal an seinem Auge vorbeiziehen ließ und die Wärme und Nähe eines geborgenen Familienlebens vermißte, fielen ihm die zahlreichen Diskussionen mit Ugo über Epikur ein. Lathe biosas ! Lebe im Verborgenen, suche das Glück in einer Seelenruhe, die dem nur leise bewegten, sich kräuselnden Meer ähnelt. Lächelnder Frieden unter dem Schatten einer Pinie, im Duft des Thymian und der Zistrosen. Irgendwo draußen, nicht mehr im Gestank der Cloaca maxima, in den mephitischen Ausdünstungen der kotigen Gassen und in Palästen, in denen Gottes Wort im Munde geführt und gleichzeitig mit den Füßen getreten wurde. Er wünschte sich, die Tage auf der Isola Bisentina verbringen zu dürfen, mit Silvia und ihrer gemeinsamen Tochter, aber auch mit Silvias fröhlichen Söhnen und der traurigen Laura. Die Kinder würden im Wasser plantschen, er konnte mit ihnen herumtollen, und nachts dürfte er Silvia in den Armen halten.
    Auf diese Weise würde er das Geschlecht der Farnese gefahrlos vermehren können, gleichzeitig jedoch in Bedeutungslosigkeit versinken lassen. Ein Farnese, der mit seinen Kindern spielte und einen Garten anlegte, statt eine Armee zu führen oder zumindest als Kardinal die römischen Fäden zu ziehen – das war lächerlich. Außerdem vermied er immer wieder den Gedanken, daß Silvia verheiratet war und er ein Mann der Kirche. Ich bin der Weg , die Wahrheit und das Leben . Warum akzeptierte er nicht endgültig sein Schicksal? Das Leben forderte Verzicht und Opfer. Von jedem, auch von ihm. Und von Silvia. So war es, so würde es immer sein. Er sollte endlich darauf verzichten, Unmögliches zu erwarten. Verzichtete er auf sie , könnte er vielleicht IHN gewinnen, den Weg der Wahrheit – bis hin zum Stuhl Petri. Sein Blick schweifte zum Westfenster der Apsis. Ein

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