Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
winken. Dann waren da nur noch die Fluten des Flusses.
Alessandro richtete sich auf. Er fühlte eine tiefe Erleichterung. Er fühlte sich stark und klar. Mit dieser Mitra war verschwunden, was ihn gelähmt und bedrückt hatte. Nun konnte er seine Aufgaben ohne jegliches Zögern in Angriff nehmen. Es galt, in diesen unruhigen Tagen, die womöglich in einem Bürgerkrieg endeten, die Weichen für die Zukunft zu stellen – soweit dies in seiner Macht stand. Falls Cesare Borgia seinen Vater überlebte – und danach sah es aus –, mußte er kaltgestellt werden. Damit dies gelang, mußte das Konklave della Rovere zum Papst wählen: Er war der einzige, der es mit dem Valentino aufnehmen konnte. Das Konklave würde bald zusammentreten, und das hieß: Er, Kardinal Farnese, würde mit dem Heiligen Kollegium in der Cappella Sistina eingeschlossen. Vorher mußte er sich aber noch um Silvia kümmern. Er mußte sie überhaupt erst erreichen, wissen, wie es ihr ging, dafür sorgen, daß sie in Ruhe ihr Kind, sein Kind auf die Welt bringen konnte.
Alessandro schwang sich in den Sattel und lenkte das Pferd durch die immer unruhiger und aggressiver drängelnden Menschen zum Palazzo des Kardinals della Rovere. Der Kardinal war nicht allein. Die ihn unterstützende Fraktion war inzwischen fast vollständig vertreten, darunter auch Giovanni de’ Medici, der Alessandro besonders freudig begrüßte. Alessandro gab einen kurzen Bericht von der vorläufigen Beisetzung des Papstes, und aus den Mienen der Kardinalskollegen sprach kein Mitleid, nur Ekel und Hohn.
Kaum hatte er seinen Bericht beendet, ging della Rovere zur eigentlichen Frage über. »Wer steht bedingungslos hinter mir? Wer läßt sich mit bloßen Versprechungen abspeisen, und wer verlangt Dukaten? Wem müssen wir eine fette Pfründe versprechen? Wer läßt sich einschüchtern? Wer gehört zur harten Fraktion der Spanier?«
Er hatte seine Fragen in die Runde geschossen, jeder fühlte sich angesprochen, zu antworten, jeder versuchte, seinen Nachbarn zu überschreien. Kein Satz war zu verstehen. Alessandro schwieg und wartete, bis sich das Durcheinander der Stimmen gelegt hatte. Als eine Atempause entstand, während der alle della Rovere anschauten, erklärte Alessandro mit ruhiger Stimme: »Ich sehe die Lage folgendermaßen.« Er machte eine kurze Pause und wartete, bis sich die Aufmerksamkeit ihm zugewandt hatte. Er sah in neugierige Mienen, in spöttische, in skeptische, in verkniffene. Aber auch in offene und freundliche. Er mußte sie überzeugen.
»Da der Herzog von Valence«, begann er zu sprechen, »zu überleben scheint und noch immer mächtig ist, auch wenn der Widerstand gegen ihn in der Romagna und wohl auch von seiten der Orsini und Colonna wachsen wird, müssen wir versuchen, ihn zu neutralisieren, ohne uns auf eine Kraftprobe einzulassen. Keiner liebt ihn, viele wollen ihn loswerden, aber die meisten fürchten sich vor ihm und wagen nicht die offene Konfrontation. Daher müssen wir jegliche Polarisierung vermeiden, schon um blutige Kämpfe zu verhindern. Ein Papst, dessen Pontifikat mit einem Blutbad beginnt, wird nie die geistliche Autorität gewinnen, derer er in Zukunft, nach diesen Zeiten nepotistischer Exzesse und usurpatorischer Übergriffe, bedarf.«
Alessandro sah sehr wohl, daß auf die Gesichter einiger alter, besonders sittenstrenger Kardinäle ein feines Lächeln trat. Er wußte, woran sie dachten, was in ihren Köpfen vorging, aber es kümmerte ihn nicht. »Aus diesem Grunde«, fuhr er fort, »plädiere ich dafür, die Orsini und Colonna zu überreden, mit ihren Anhängern Rom wieder zu verlassen. Den Valentino halten wir hin, geben ihm das Gefühl, er könne auch unter einem Papst della Rovere Gonfalionere bleiben und seine Eroberungen behalten, sorgen aber dafür, daß auch er mit seinen Soldaten die Stadt verläßt.«
»Aber wie? Er macht doch, was er will!« rief einer der Kardinäle.
Alessandro zog seine Lippen spöttisch nach unten. »Nun, es werden Aufstände in den Städten ausbrechen, die von ihm erobert wurden, die alten Herrscher werden sich zurückmelden – und wenn sie zögern, könnten wir sie dazu ermuntern. Damit nicht die Machtbasis des Principe gänzlich zusammenbricht, wird er losmarschieren, um die Aufrührer in ihre Schranken zu weisen.«
Er hielt kurz inne. Die Kardinäle murmelten etwas, was nach Zustimmung klang. Il terribile verzog keine Miene.
Weil keiner der Anwesenden einen Einwand vorbrachte, fuhr Alessandro
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