Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
brachte einen erfahrenen Chirurgus mit, der sich, wie er versicherte, mit schwierigen Geburten und Operationen auskannte und der Alessandro begleiten sollte.
»Für alle Fälle. Ich bete für Euch, Eminenz.«
Der Jude verabschiedete sich, und Alessandro brach mit seiner Truppe auf.
In der Stadt mußten sie mehrfach umkehren, weil ihnen Kämpfe zwischen den Orsini-Anhängern und Soldaten des Valentino den Weg versperrten. So verließen sie Rom schließlich durch die Porta Nomentana. Eine Nacht kampierten sie im Freien, aber am nächsten Tag erreichten sie Capodimonte.
Die Mutter hatte die Truppe schon von weitem kommen sehen, verschloß die Burg und zog die Zugbrücke hoch. Sie ließ durch den Verwalter ausrichten, sie sei für niemanden zu sprechen. Als dieser Alessandro erkannte, wollte er ihn sofort einlassen, aber Alessandro war nur daran interessiert, zu erfahren, ob Silvia und die Kinder anwesend seien. Von ihnen wußte der Mann nichts.
Alessandro drehte sofort um, galoppierte die engen Gassen bis zum Hafen hinunter und fragte die Fischer, ob Silvia vielleicht auf eigene Faust sich habe zur Isola Bisentina rudern lassen. Niemand hatte sie gesehen, keiner hatte etwas von ihr oder über sie gehört.
»Vielleicht hat sie sich verirrt«, sagte einer der Fischer.
»Oder man hat ihr den falschen Weg gewiesen«, ein anderer.
»Oder …« Der dritte verstummte, bevor er ein weiteres Wort hatte aussprechen können.
»Es gibt hier Wölfe«, sagte der erste Fischer. »Ja, Wölfe.«
»Und Männer, die sind schlimmer als Wölfe.« »Habt ihr denn gar nichts gehört?« fragte Alessandro in äußerster Anspannung.
Stummes Kopfschütteln.
»Und wieso könnte man ihr den falschen Weg weisen?« schrie er nun.
»Die Leute in Montefiascone hassen ihre Nachbarn aus Capodimonte.«
»Ist das euer Ernst?«
Einhelliges Nicken.
»Und wo könnten sie sie hingeschickt haben?«
»Nach Bolsena zum Beispiel. Das haben sie schon einmal mit Wollhändlern aus Neapel gemacht.«
Alessandro brach sofort nach Bolsena auf.
Dort angekommen, befragte er die Kinder, die am Ortsrand spielten. Sie riefen etwas von einer Hexe und zeigten auf das Schloß.
Alessandros Herz machte einen Sprung. Jetzt hatte er sie gefunden. Mit Hexe konnten die Kinder nur Rosella meinen. Silvia mußte in der Burg sein, bei den Monaldeschi, dort hatten sie Zuflucht gefunden. Jetzt würde alles gut.
Alessandro wurde freundlich empfangen und sofort nach den Neuigkeiten aus Rom befragt. Aber er bestätigte nur den Tod des Papstes und fragte nach Silvia. Niemand wußte Bescheid. Erst als er die angebliche Hexe erwähnte und die Bediensteten befragt wurden, erfuhr er, daß tatsächlich eine grausam entstellte Frau angeklopft habe.
Und wieder ging die Sucherei los. Aber nun dauerte es nicht lange, bis man Alessandro zu dem Stall führte. Der Mann, der sie geleitete, bekreuzigte sich. Plötzlich hörte man aus dem Innern einen langgezogenen Schrei, der in ein Röcheln überging.
Alessandro schaute den Chirurgus an, dessen Miene ernst war. Noch einmal ein Schrei, der nach dem verzweifelten Hilferuf eines tödlich getroffenen Tieres klang. Nun wußte Alessandro Bescheid. Dies war ein Todesschrei. Dies war Silvias letzter Laut.
Er hatte sie gefunden. Aber er war zu spät gekommen. Sie starb. Mit ihr starb auch sein Kind. Und seine Hoffnung.
Mit diesen Gedanken stürzten er und der Chirurgus in den Stall. Ein Mann hockte über Silvia, ein skalpellartiges Messer in der Hand, und war dabei, Silvias Bauch aufzuschlitzen. Erschrocken über das plötzliche Hereinbrechen der Männer, hielt er inne.
Alessandro sprang herbei und stieß ihn zur Seite. Silvias Gesicht war totenblaß, ihre Augen weit geöffnet und blutunterlaufen, der Körper regungslos. »Ich sollte das Kind holen, sie wollte es so«, stammelte der Mann, der noch immer sein Skalpell in der Hand hielt.
Alessandro sah jetzt auch Rosella und die Hebamme, die nickend bestätigten, was der Mann gesagt hatte. Im Dunkel des Stalls entdeckte er die Kinder, die ihre Vogelbauer auf dem Schoß hielten und ihn schreckensstarr anblickten. Als erster schien ihn Tiberio erkannt zu haben, denn er rief laut »Onkel Alessandro, Onkel Alessandro!« und sprang auf. Alessandro kniete neben Silvia und beugte sich nieder. Ja, sie bewegte die Augen. Sie lebte noch. Sie bewegte sogar ihre Lippen. Sie flüsterte etwas, aber er verstand sie nicht.
Der Chirurgus, den er aus Rom mitgebracht hatte, begann schon Silvia zu untersuchen.
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