Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
fort: »Und nun zur Wahl selbst: Die Spanier werden zusammenhalten, die Italiener sind, wie so häufig, uneins. Damit sind wir der spanischen Fraktion unterlegen. Versprechungen und gewisse Zuwendungen werden nicht ausreichen, die Wahl in unserem Sinne positiv ausgehen zu lassen. Wir müssen das Risiko einschränken, für Jahre als die Verlierer dazustehen und womöglich dem Herzog von Valence eine päpstliche Unterstützung zukommen zu lassen, die einigen von uns das Vermögen, die Ämter oder sogar das Leben kosten kann, für andere zumindest das Exil bedeutet.«
Della Roveres Miene hatte sich verfinstert. In den Gesichtern der anderen Kardinäle spiegelten sich Angst, Ärger, aber auch zunehmend neugierige Erwartung.
»Wir sollten« – Alessandro hob leicht die Stimme, ohne lauter zu werden – »eine erste, vorläufige Wahl durchführen lassen, um die Kräfteverhältnisse abschätzen zu können. Dann aber sofort einen Kandidaten vorschlagen, der einen Zeitgewinn verspricht und uns ermöglicht, die italienischen Reihen zu einigen und zu festigen. Wir sollten unseren ehrenwerten Senior Piccolomini-Todeschini vorschlagen.«
Protestrufe unterbrachen ihn, Gelächter folgte, Unruhe.
»Den senilen Alten?«
»Der kann ja kaum noch gehen.«
»Achtzig Jahre und mit seinem kranken Bein schon halb im Grab.«
»Ganz richtig«, rief Alessandro und brachte seine Kollegen mit einer knappen Geste zum Schweigen. »Wenn sich das Grab geschlossen hat, ist unsere Saat reif, und Kardinal della Rovere braucht nur noch die Stimmen zu ernten.«
Della Rovere erhob sich, die Kardinäle schauten ihn erwartungsvoll an. Er fuhr mit den Fingern durch seinen Bart. »Farnese hat recht«, sagte er bestimmt, »bei den unklaren Verhältnissen zur Zeit ist es am besten, ich warte noch ein wenig ab. Gegen den alten Piccolomini wird niemand etwas sagen. Ich bin mir noch nicht einmal sicher, ob die spanischen Ränkeschmiede eine Finte vermuten. Sie halten uns für eitle, eigennützige Schwätzer, die sich nie einigen können. Wir müssen ihnen das Gegenteil beweisen. Und wer schlägt Piccolomini vor?«
»Giovanni de’ Medici«, antwortete Alessandro, »er gilt als junger unbedarfter Kunstfreund und zudem als ausgleichend. Auf diese Weise fällt unser Manöver am wenigsten auf.«
Della Rovere kniff die Augen zusammen, nickte dann. Er fuhr sich mit seinen Händen erneut mehrfach durch den Bart und umarmte schließlich Alessandro. Die Mienen der Anwesenden hellten sich auf, es wurde geklatscht und nach Wein gerufen. Nach kurzer Zeit klirrten die Gläser, und alle sprachen wieder durcheinander.
Alessandro zog sich mit della Rovere zurück, um taktische Einzelheiten zu besprechen. Dann verabschiedete er sich, weil er, wie er erklärte, noch vor den offiziellen Begräbnisfeiern, das hieß: sofort, nach Silvia Ruffini sehen müsse.
Il terribile nickte und schlug ihm auf die Schultern. »Du bist ein Teufelskerl, ich wußte es schon immer. Ich will immer mit dem Kopf durch die Wand, aber manche Wände sind sehr dick. Es ist besser, man geht durch die Tür. Wenn ich Papst werde, werde ich dir vergelten, was du für mich getan hast. Aber jetzt mach dich auf den Weg und schau nach deinem Sohn!«
Alessandro ritt zu seinem Palazzo und zog dann mit einer Gruppe bewaffneter Knechte zu Silvias Haus. Noch immer waren Portal und Hintertüren verschlossen, und niemand rührte sich. Als Alessandro schließlich befahl, den Hintereingang aufzubrechen, öffnete plötzlich ein uralter Knecht das Fenster. Er erkannte Alessandro und berichtete, was geschehen war. Alessandro wurde bleich, als er hörte, wie lange Silvia schon unterwegs war. In Capodimonte hätten sie sich treffen müssen! Aber sie hatten sich nicht getroffen, und er war ihr auf dem Rückweg nach Rom auch nicht begegnet. Also mußten die Crispo sie gefangengesetzt haben. Oder die Soldaten der Orsini … Oder einfach nur Wegelagerer … Wie damals … Nein, er wagte nicht daran zu denken.
Alessandro sah jetzt Silvia vor sich, wie sie sich hochschwanger über die Straßen quälte, mit den Kindern, ja auch mit seiner eigenen Tochter Costanza. Bei ihr Rosella, die jeder für eine Hexe hielt, der auf dem Land wahrscheinlich jeder den bösen Blick nachsagte – sie waren nicht in Capodimonte eingetroffen. Das konnte nur ein Unglück bedeuten.
Alessandro ließ seine Männer sich mit weiteren Waffen und Proviant eindecken, schickte nach dem jüdischen Arzt, der ihn vom morbo gallico geheilt hatte. Dieser
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