Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
Nacht. Wie unter einer fremden Macht stehend, beugte er sich weit vor, um hinunterschauen zu können. In die gleiche Schwärze hatte er geschaut, als er sich aus der Burg der Engel ins Ungewisse abseilen wollte. Und jetzt? Wohin geriet er jetzt?
17. K APITEL
HURE stand eines Morgens in großen Lettern am Portal.
Der Vater hatte das Wort entdeckt, als er in der Morgendämmerung nach Hause kam. Er ließ die Schmiererei sofort entfernen, erwähnte sie Rosella gegenüber mit einem unterdrückten Grollen in der Stimme. Er achtete nicht darauf, daß Silvia dabeistand, strich ihr nur, bevor er sich zum Schlafen niederlegte, achtlos über den Kopf.
Kaum war er verschwunden, warf sich Rosella einen Kapuzenmantel um, in dem sie bei flüchtigem Hinsehen wie ein Mönch aussah, und verließ das Haus.
Silvia war wieder allein, schaute sehnsüchtig von dem kleinen Balkon über dem Portal auf die Straße, auf die Menschen, die sich dort geschäftig herumtrieben. Dann zupfte sie an den Saiten ihrer Laute, dichtete ein Sonett, strich durch das große Haus. Seit die Mutter gestorben war, hatte sich die famiglia deutlich verkleinert. Manche der Bediensteten schienen tagsüber einer Tätigkeit außer Haus nachzugehen; Silvia sah sie abends zurückkehren. Auch ihre Lehrer erschienen nur noch unregelmäßig, und einem Gespräch zwischen ihnen entnahm sie, daß sie seit langem keine Entlohnung mehr erhalten hatten.
Wenigstens Sandro und die Amme fand Silvia immer, wenn sie die beiden suchte. Der Kleine war inzwischen gewachsen und lag zufrieden an ihrer stolzen Brust. Wenn er satt war, ließ die Amme Silvia ihn wickeln und herumtragen, während sie ihre eigene kleine Tochter stillte.
An einem Nachmittag streichelte und kitzelte Silvia den Kleinen. Er juchzte auf vor Vergnügen, aber dann verzog er plötzlich sein Gesicht, als wollte er losbrüllen, und lief rot an. Schnell nahm Silvia ihn hoch, legte ihn über ihre Schulter, und nach kurzer Zeit war alles wieder gut.
»Du sehnst dich schon danach, Mutter zu sein, nicht wahr?«
Silvia nickte und ging mit dem kleinen Sandro zum Fenster, um ihm die vielen Menschen auf der Straße zu zeigen.
»Ich war noch nie unten am Porto di Ripa Grande«, sagte sie, »und auch noch nicht auf dem Monte Gianicolo. Ich möchte auch einmal von oben auf Rom schauen.«
»Geh auf die Dachterrasse!«
»Ist es gefährlich für ein junges Mädchen, tagsüber durch die Stadt zu spazieren?« Als Silvia den skeptischen Blick der Amme sah, korrigierte sie sich sofort: »Ich meine natürlich, allein zur Messe zu gehen.«
Die Amme lächelte verständnisvoll. »Uns alle treibt es in jungen Jahren hinaus.« Dann fügte sie noch an: »Nimm lieber eine Begleitung mit.«
Silvia schlich sich aber allein aus dem Haus. Da es Winter war, trug sie einen langen weiten Mantel, der im Kragen hochgeschlossen war, und verbarg ihre Haare unter einem mehrfach geschlungenen Kopftuch. Auf der Straße schlüpfte sie wie ein Zigeunermädchen an Eseln und Ochsenkarren, an Wasserträgern und Bettelmönchen vorbei. Eine Weile folgte sie einer Magd, die auf ihrem Kopf einen Gemüsekorb trug. An ihrer Brust, in ein buntes Tuch eingeschlagen, hing ein schlafendes Kind. Silvia bewunderte sie, weil sie trotz der Last leichtfüßig ging, hoch aufgerichtet, wie eine stolze Mohrin, und noch nicht einmal den Korb halten mußte. Sie schwebte regelrecht durch die Menge, und jeder schien ihr auszuweichen. Silvia überholte sie, um ihr ins Gesicht zu sehen.
Die Magd sah sie und lächelte. »Na, meine Kleine, bist du ausgerissen?«
Sie verlangsamte ihre Schritte nicht. Weiche, volle Wangen, leicht gerötet, und eine dunkle Haarsträhne fiel ihr über die Stirn bis übers Auge.
»Wohin gehst du?« fragte sie, nachdem Silvia ihr nicht geantwortet hatte.
»Nach Santa Maria ad Martyres«, antwortete Silvia schüchtern, »dort liegt meine Mutter begraben.«
»Du bist ein Edelfräulein, nicht wahr?«
»Ist der Kleine dein Kind?«
»Mein Mädchen.« Die Magd strich dem Kind über den Kopf und versteckte es dann wieder unter dem Tuch.
Gemeinsam gingen sie bis zum Platz vor der Kirche, wo die Magd sich niederließ, um das Gemüse zu verkaufen. Sie lächelte Silvia zum Abschied noch einmal zu, und Silvia ging zum Grab ihrer Mutter und betete. Immer wieder schaute sie ängstlich in die Öffnung der Kuppel, ob nicht wieder der Sonnenfleck sie treffen könnte. Aber die Sonne stand zu niedrig, und ihre Strahlen berührten nicht den Boden.
Auf dem
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