Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
leid. Nun schaute er sie lange von oben bis unten an.
»Wahrscheinlich verehrst du deinen stolzen Lebensretter. Aber er wird sich sicher irgendwann die Tonsur scheren lassen – trotz seiner Flucht aus Rom. Du mußt ihn dir also aus dem Kopf schlagen. Je früher, desto besser.« Er machte eine Pause, dann fuhr er fort: »Du wirst einmal hübsch, bist klug. Crispos Sohn sieht ebenfalls gut aus, macht einen freundlichen Eindruck. Aber der Preis, der Preis ist zu hoch.« Er wandte seinen Blick ab. »Wenn ich doch einmal diese Bande um Chigi richtig ausziehen könnte!« stieß er aus. Seine Schultern begannen zu zucken, und er bedeckte mit einer Hand sein Gesicht.
»Geh jetzt, bitte!« stieß er schluchzend hervor. »Laß deinen Vater allein!«
16. K APITEL
Nach seinem Kampf mit Angelo hatte Alessandro sofort nach Florenz abreisen wollen, aber Giulia bat ihn inständig, doch noch auf die Mitreisenden zu warten, die Kardinal della Rovere ihnen angekündigt hatte. Giovanni Battista Crispo war unter ihnen – Alessandro kannte ihn flüchtig aus der Accademia Romana, wo er ihm nur durch mäßige Leistungen in Latein und schwärmerische Äußerungen über die Maler Perugino und Pinturicchio aufgefallen war. Crispo galt als römischer Alkibiades, als ein schöner junger Mann, dem die grauhaarigen Lehrer wie einst der alte Sokrates zugetan waren. Lange schwarze Haare, volle Lippen, weiches Kinn – Crispo war tatsächlich ein Schönling, dies wollte Alessandro nicht abstreiten, aber welche Eigenschaften zeichneten ihn sonst noch aus? Alessandro fielen keine ein. Warum della Rovere so darauf drängte, daß sie jetzt zusammen die Accademia Platonica besuchen sollten, verstand Alessandro ebenfalls nicht. Della Rovere hatte eine Schwäche für schöne junge Männer, dies hörte man in Rom häufig, aber war dies ein Grund, Crispo ihm als eine Art Begleiter aufzudrängen?
Außerdem sollten sich ihnen noch zwei Provençalen anschließen und ein Kaufmannstrupp, und dann hatte Angelo angedeutet, ebenfalls in den nächsten Tagen nach Venedig aufzubrechen – und zwar über die Stadt am Arno! Alessandro mußte also im Pulk nach Florenz reiten – was er überhaupt nicht mochte –, aber alle, insbesondere Giulia, wiesen auf die Gefahren hin, die auf den Straßen durch die Wegelagerer drohe. Das wisse er ja selber. In der Gruppe reise man immer am sichersten.
Alessandros Stimmung wurde auch durch seine Mutter nicht verbessert, die nun nicht mehr an ihren Kindern herumnörgelte, dafür jeden Morgen berichtete, sie habe von Gorgonenhäuptern geträumt, und die ununterbrochen auf böse Vorzeichen stieß, wie schwarze Katzen, gerissene Lämmer und vom alten Burgfried herabfallende Mauersteine. Als schließlich ein Schwarm lärmender Rabenvögel unaufhörlich diesen baufälligen Burgfried umrundete und sich in seinen Höhlen und Nischen niederließ, war sie sicher, daß bald ein Toter zu beklagen sei.
Während der Mahlzeiten sprach sie ununterbrochen über die Heimsuchung, die sie zu ertragen habe. »Als wäre nicht erst letztes Jahr mein geliebter Pierluigi, euer Vater, abberufen worden.«
Alessandro runzelte die Stirn.
»Ach, Mama!« rief Giulia begütigend.
»Die Träume sagen die Wahrheit«, beharrte sie.
»Ebenso wie die Sterne.«
»Die Sterne sicher, die Träume vielleicht«, warf Alessandro ein, »aber ein zusammenbrechender Turm sagt nur darüber etwas aus, daß ihn niemand mehr benötigt und er daher nicht instandgesetzt worden ist. Und will man sein Zusammenbrechen unbedingt als omen nehmen, dann sollte man vom Zusammenbruch der alten Zeiten sprechen – der Caetani-Zeiten.«
»Davon spreche ich ja«, antwortete die Mutter, »vom Zusammenbruch des Lebens, von der auseinanderbrechenden Familie.«
Alessandro blickte seine Mutter herausfordernd an. »Wer seinen eigenen Sohn einsperren läßt, darf sich nicht wundern.«
Sie schaute an ihm vorbei. »Ich habe dich nicht einsperren lassen«, sagte sie ungerührt, »ich gab dem Papst nur einen Hinweis, wie man dich zum Nachdenken bringen kann. Als deine Mutter weiß ich, daß du die Freiheit über alles liebst. Außerdem ist mir bekannt, daß jugendliche Heldentaten nicht gerade förderlich sind für ein langes und gesundes Leben. Und eine Mutter möchte ihre Kinder möglichst nicht vor sich sterben sehen.«
Als Alessandro nicht antwortete, fügte sie noch an:
»In Rom bist du jetzt ein kleiner Held. Aber der Held darf nicht in der Stadt bleiben, und bald wird man ihn
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