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Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes

Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes

Titel: Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Berger
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und er im heftigen Tramontana-Sturm beinahe gekentert und ertrunken. Keiner von ihnen würde es je vergessen, noch heute stand die Erinnerung zwischen ihnen. Das Wasser kräuselte sich an einer Stelle, nicht weit vom Ufer entfernt, und dann liefen kleine Wellen hinaus auf den See, bis sie sich in der Ferne verloren. Nach einer Weile lag das Wasser wieder wie eine polierte Silberscheibe vor ihm.
    Nein, die Kindheit war nicht mehr zurückzuholen.
    Mit Rubino war die letzte Verbindung abgeschnitten worden. Nun galt es, in ein neues Leben einzutreten.
    Im letzten Tageslicht ruderte Alessandro nach Capodimonte zurück und traf auf der Brücke der Burg einen Boten, der ihm einen Brief von Silvia Ruffini überreichte. Er merkte, wie er sich über das Schreiben freute, und eilte in sein Zimmer. Dort zündete er sorgfältig mehrere Kerzen an und brach das Siegel. Während er zu lesen begann, mußte er lächeln. Ja, die kleine Silvia, die fast noch ein Kind war, liebte ihn. Ihre Gefühle troffen aus jedem Satz. Aber wer sagte denn, daß nicht alles reiner Überschwang war, die Schwärmerei eines eingesperrten Mädchens? Verliebt zu sein war das eine, verheiratet zu werden das andere. Beides hatte in aller Regel kaum etwas miteinander zu tun.
    Und was fühlte er? Liebte er sie ebenfalls? Konnte er sich gar vorstellen, sie einmal zu heiraten? Das hätte bedeutet, daß er für immer den Gedanken verabschieden mußte, erneut in den kirchlichen Dienst einzutreten. Immerhin war er Silvia bis Frascati nachgeritten, und er sah in ihr die Unschuld, die Reinheit, die unbekümmerte Jungfräulichkeit. Aber sie war noch zu jung, als daß er sie wie eine richtige Frau lieben konnte. Und doch zog ihn etwas zu ihr hin, was er nur sehr allgemein umschreiben konnte.
    Vielleicht war es der Blick, mit dem sie ihn faszinierte, ja fesselte. Dieser dunkle, geheimnisvolle Tierblick – der etwas versprach, was dieses junge Wesen noch gar nicht halten konnte. Oder war es ihr Lächeln, das man einfach lieben mußte, ihr plötzlich herausbrechendes Lachen, das sofort wieder in einen traurigen Ernst übergehen konnte?
    Doch er spürte noch etwas: eine Erwartung, die zu einer Verpflichtung werden konnte. Und eine Verpflichtung schränkte seine Freiheit ein. Gerade jetzt, beim Übergang in ein neues Leben, mußte die Vergangenheit von ihm abfallen. Und gehörte nicht auch Silvia zu seiner Vergangenheit?
    Alessandro las weiter. Er las von Rosella, die in Ruffinis Haus lebte und die nun einen Sohn auf die Welt gebracht hatte. Für ihn war sie die große Hure, aus deren Fängen ein Mann sich nur mit Gewalt befreien konnte. Die man meiden mußte, weil sie einen aussaugte. Und dies nicht nur, was die unersättlichen Wünsche nach Geld und Gold betraf. Aber was er jetzt las, ließ ihm den Atem stocken. Silvia teilte ihm mit, Rosellas Kind schaue sie mit seinen Augen an. Täglich sehe sie ihn vor sich, täglich erneuere sich ihre Liebe.
    Er las den Satz ein zweites Mal. Täglich erneuert sich meine Liebe , Der Bastard hieß Sandro, das war die Verkleinerungsform von Alessandro. Rosella hatte ihren Balg nach ihm benannt. Was für eine üble Geschmacklosigkeit!
    Und trotzdem durchfuhr ihn ein seltsames Gefühl von Stolz. Sollte er tatsächlich Vater eines Sohnes sein? Sollte ihm, der schon die niederen Weihen empfangen hatte, ein Kind geboren sein, in dem er weiterleben durfte?
    Gleichzeitig packte ihn aber die Wut – darüber, daß er in eine Falle getappt war. Oder erneut gefangen werden sollte. Daß eine Frau ihn hereingelegt hatte. Er hatte Rosella nie wiedersehen wollen – aber sollte das eine Mal genügt haben, sich von ihm ein Unterpfand zu verschaffen? Jetzt schwärzte sie ihn womöglich bei Silvia an. Und Silvia? Reagierte sie mit Eifersucht? Nein, im Gegenteil. Sie tat so, als sei der kleine Sandro ihr eigenes Kind, ihr gemeinsames Kind. Zwei Frauen taten sich zusammen und hielten ihm triumphierend einen Bastard entgegen, der nach ihm benannt worden war! O Gott, auf was hatte er sich da eingelassen!
    Alessandro wanderte in seinem Zimmer auf und ab. Die Kerzen flackerten. Er riß das Fenster auf und sog, heftig atmend, die feuchte Luft des Winters ein.
    Der Mond war verschwunden, hinter Wolken verborgen oder schon untergegangen. Die Nacht war undurchdringlich, ein Unterweltreich, durch das ein seltsames Fiepen, Unken und Sirren drang. Plötzlich war eine Schattenbewegung direkt vor ihm, ein Windhauch, ein Flügelschlag, noch schwärzer als das Dunkel der

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