Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
flüsterte, so leise, daß wohl nur Silvia sie verstand: »Ich liebe dieses Hühnchen, wir gehören zusammen.«
Silvia legte die Hand auf ihren Arm.
»Schluß jetzt!« schrie ihr Vater mit einer gequetschten, hohen Stimme. »Du verläßt unser Haus, und mein Sohn bleibt hier.«
Als wären wieder die Dämonen in sie gefahren, sprang Rosella auf und schrie voller Hohn zurück: » Dein Sohn?«
»Die Sterne sagen die Wahrheit«, erwiderte der Vater. Seine Stimme erstarb bei dem Wort Wahrheit . Er wandte sich ab. »Ich will dich nicht mehr sehen«, erklärte er und verließ, plötzlich gebückt, das Zimmer.
Er schleifte das Kleid der toten Mutter hinter sich her.
Rosella ließ sich, als hätte sie der Schlag getroffen, auf das Bett fallen. Ihre weit geöffneten Augen starrten an die Decke. Sie bewegte ihre Lider nicht, so daß sie einer Toten ähnelte. Silvia versuchte sie anzusprechen, stieß sie an, aber Rosella reagierte nicht.
Schließlich eilte Silvia zu Sandro und nahm ihn aus der Wiege. Er lächelte. Sie drückte ihn an sich und lief mit ihm auf die Dachterrasse. Nun schrie er, und sie rannte wieder zurück. Die Amme, die ihr entgegeneilte, hätte sie fast umgestoßen. Der kleine Sandro schrie noch lauter. Silvia hielt ihn von sich weg und sah in sein verzerrtes Gesicht. Und dann geschah etwas Schreckliches: Sein Gesicht schien zu wachsen, immer größer zu werden, eine Dämonenfratze drohte Silvia plötzlich zu verschlingen, und hätte die Amme Sandro nicht ergriffen, so hätte sie ihn fallengelassen.
Silvia wurde das Bild dieser Teufelserscheinung nicht mehr los, sosehr sie auch durch das Haus rannte, kaum bekleidet, wieder auf das Dach hinauf, in die Kälte, und dann zurück durch alle Zimmer.
Von Rosella und ihrem Vater sah und hörte sie nichts mehr.
Als es dunkelte, hatte sich die teuflische Verwirrung aufgelöst, und Silvia schlich zu Sandro, um ihn zu trösten. Aber die Amme ließ sie nicht an sein Bettchen. Der Kleine hatte sich längst wieder beruhigt und spielte mit einem Holzklötzchen und einem bunten Tuchfetzen.
Abends, als die Amme zum Abtritt mußte, gelang es Silvia endlich, ihn hochzunehmen. Er lächelte wieder, aber sein Lächeln schien sich verändert zu haben. Kaum hielt sie ihn in ihren Armen, tauchte wieder dieses teuflische Grinsen auf. Ja, der kleine Sandro grinste sie mit Alessandros Augen an, als wolle er sie verhöhnen, als wolle er sich an sie krallen und hinabziehen in die Hölle, ins ewige Feuer stürzen und sie quälen und martern bis zum Jüngsten Gericht. Ihr wurde alles klar. Ein Abgesandter der Unterwelt grinste sie unverhohlen an. Nicht nur ihr Vater, auch der Teufel hatte Rosella beigewohnt; er hatte von hinten sein Horn in sie hineingestoßen und ihr den Balg eingepflanzt, er wollte sie alle vernichten, und Rosella war sein Werkzeug. Sandro hatte er Alessandros Augen angehext, an die Türe hatte er HURE schreiben lassen, in den Gemütern ließ er Mißtrauen, Haß, Wut und Streitsucht wachsen. Das Haus war von Dämonen besetzt und verseucht, und dieser kleine Teufel in ihren Armen war ihr Werkzeug. Der Vater wurde zu einem gewalttätigen Ungeheuer … Silvia mußte ihn retten! Ihre Mutter hatte sie nicht retten können, aber ihren Vater mußte sie den Fängen des Bösen entreißen! Sie, Silvia, war das Werkzeug des Allmächtigen. Sie mußte das Böse zerschmettern! Der kleine Sandro mußte vernichtet werden!
Von Ferne hörte Silvia einen spitzen, grellen Schrei. Als würden von allen Seiten Flammen auf sie zustoßen, als tanzten tausend nackte Ungeheuer um sie herum, als tobte ein Konzert aus sich vermehrenden Kinderstimmen, die sie alle nur zerreißen wollten. Sie selbst spürte einen Druck von innen, ihr Bauch schwoll an und drohte zu platzen, und zwischen ihren Schenkeln wuchs eine blutigrote, stachlige Rose aus einem Kelch und blühte auf.
Silvia trank das Blut. Sie aß das Blatt. Eine Stimme, vielleicht ihre eigene, sang beata viscera virginis et beata ubera . Selig der Schoß der Jungfrau und selig die Brust. Und viele Stimmen sangen im Chor. Rosa mystica , dei genitrix , benedicta in mulieribus , et benedictus fructus ventris tui . Geheimnisvolle Rose, Gottesgebärerin, gebenedeit bist du unter den Weibern und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes.
Und dann ging alles in ihrem eigenen schwarzen Schrei unter, bis sich ihr Vater über sie beugte.
Er hob sie auf und trug sie in ihr Bett und bedeckte ihren zitternden Leib.
Er flößte ihr warme Milch
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