Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
gemeinsamen Messebesuch vor, und zwar bei dem über die Grenzen der Stadt berühmten Dominikanerprior von San Marco, Girolamo Savonarola. Cesare nickte unwillig, aber seine Augen leuchteten auf, als ihm eine gemeinsame Jagd in den Wäldern angekündigt wurde.
»Bären?« rief er.
»Nein«, antwortete Lorenzo mit einem charmanten Lächeln. »Nur Schwarzwild und Hirsche.«
»Auch gut«, erwiderte Cesare und hielt seine zweizinkige Gabel in die Höhe, »aber wir müssen schon ran an die Hauer. Selbst ist der Herr!« Er rollte das R ganz besonders lang und führte mit seiner Gabel eine Stoßbewegung aus, lachte dann unbekümmert auf, zwinkerte Alessandro zu, äffte die Mienen einiger Ratsherren und insbesondere das hochnäsigmißgelaunte Gesicht von Clarice de’ Medici nach. Alessandro wußte nicht, warum Cesare ihm zugezwinkert hatte, aber er konnte seinen Blick nicht von diesem jungen Mann lassen, der sich so unbekümmert und selbstsicher aufführte, der aber gleichzeitig in seinen tiefdunklen Augen ein Geheimnis verbarg. Alessandro warf einen kurzen Blick auf Lorenzo, und er meinte in dessen Miene eine ähnliche Reaktion zu erkennen. Allerdings lag leichter Spott auf seinen Lippen. Alessandro fand jedoch, daß Spott dem Kardinalssohn gegenüber nicht angebracht sei.
»Schon eine Weile, lieber Cesare, habe ich darüber gerätselt«, fragte nun Lorenzo, »was die Zeichen auf Eurem Emblem wohl bedeuten mögen.«
Cesare ließ sich eine Schüssel mit parfümiertem Wasser reichen, um seine Hände zu säubern, und kaute weiter. Lorenzo wollte sich wieder von ihm abwenden, weil sich sein Gast mit der Antwort allzu lange Zeit ließ, aber dann stellte Cesare die Gegenfrage: »Ich sehe an Eurer blutroten Kopfbedeckung überhaupt kein Emblem. Ihr habt Eure Lebensziele also schon erreicht?«
Lorenzo lächelte freundlich, ohne zu antworten.
»Na, dann will ich Euch sagen, was Alpha und Omega bedeuten«, rief Cesare.
»Er ist ein Gotteslästerer«, hörte Alessandro den Erzbischof von Florenz seinem Nachbarn Marsilio Ficino zuflüstern.
» Aut Caesar aut nihil – das ist mein Wahlspruch«, rief Cesare so laut, daß es auch noch die am untersten Ende der Tafel Sitzenden verstehen mußten, »alles oder nichts, der Anführer oder das Schlußlicht, Sieg oder Tod.« Er schaute sich triumphierend um. Marsilio Ficino neigte seinen Kopf dem Erzbischof zu und sagte mit leiser Stimme: »Ich glaube, der junge Mann hat den Sinn des griechischen Buchstabens Omega nicht verstanden.«
Der Erzbischof nickte. »Obwohl der Sohn eines Kardinals, ist er ein Gotteslästerer!«
Cesares Augen fixierten ihn, und mit einem höhnischen Lächeln rief er ihm zu: »Und Ihr werdet uns nachher die Leviten lesen?«
Der Erzbischof wandte sich entrüstet ab.
»Nein, lieber Cesare«, antwortete Lorenzo an seiner Stelle, »dies wird der Prior von San Marco tun.«
»Ja, das sagtet Ihr schon. Ich habe offensichtlich die beiden Pfaffen verwechselt. Obwohl ich sie als Kardinalssohn auseinanderhalten müßte. Aber ich sehe den kleinen Klosterbruder nirgendwo an unserer Tafel. Ist dies die berühmte florentinische Höflichkeit?«
»Da Fra Girolamo Savonarola weltlichen Genüssen abhold ist, hat er unsere Einladung abgelehnt und bisher auf die Ehre, von Euch begrüßt zu werden, verzichtet. Er ist sicher ins Gebet vertieft. Wir werden ihm später begegnen, unter der großen Kuppel von Santa Maria del Fiore. Der Dom faßt die Menschen kaum, die den kleinen Klosterbruder hören wollen.«
»Da bin ich aber mal gespannt!«
»Das könnt Ihr auch!« sagte Lorenzo mit einem undurchschaubaren Lächeln.
27. K APITEL
Der Vater wirkte von Tag zu Tag gehetzter. Silvia, den kleinen Sandro auf dem Arm, folgte ihm durch die Korridore des Hauses bis in sein Studiolo, wo er auf einen Stapel Zettel wies, auf denen Zahlenlisten und astrologische Symbole verzeichnet waren.
»Ich brauche keinen teuren Astrologen«, erklärte er mit einer fahrigen Handbewegung, »um zu wissen, daß uns die Konjunktion von Mars und Venus ins Haus steht. Eine äußerst ungünstige Konstellation für Eheverträge.« Er schob die Zettel ineinander und legte ein zerfleddertes Buch über sie. »Ich kann nicht mehr warten. Der alte Crispo sitzt mir im Nacken, sein Sohn wird bald in der Stadt eintreffen.« Gedankenverloren starrte er auf heruntergebrannte Kerzen und eine alte Sanduhr.
Der kleine Sandro spielte mit Silvias Haaren und krähte vor Lachen, als sie ihn kitzelte. Als sie ihn absetzte,
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