Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
Lorenzo seine Verkrampfung nicht verborgen bleiben.
»Ich danke dir, Lorenzo, für das Vertrauen …«
»Hör zu, Alessandro!« Lorenzo rückte näher an ihn heran und dämpfte seine Stimme. Die Falten in seinem Gesicht hatten sich in der letzten Zeit vertieft, die Schatten um die Augen verdunkelt. »Du hast den Prediger von San Marco gehört, Picos neues Vorbild. Ich unterstütze sein Kloster, ich habe ihn zum Prior ernannt – aber dieses Geschenk beeindruckt ihn überhaupt nicht. Obwohl er ein Fremder in der Stadt ist, hat er mir bis heute noch keinen Antrittsbesuch abgestattet.« Er lächelte gequält. »Er hat meine Eitelkeit gekränkt, aber dies geht nur ihn und mich etwas an. Nein, mich beunruhigt die Art, wie der Dominikaner von meinen Mitbürgern aufgenommen wird, wie man an seinen Lippen hängt …«
Lorenzo machte eine Pause, seine Stimme wurde noch leiser. »Wie meine Mitbürger auf seine Sprüche hereinfallen. Er ist ein dämonischer Volksverführer, das spüre ich, aus ihm spricht das schlechte Gewissen der Menschen, und er wird seinen Bannstrahl richten gegen all das, was die Medici verkörpern. Die goldenen Medici-Zeiten nähern sich dem Ende.«
Verloren schaute er in die Ferne. »Meine Schmerzen nehmen manchmal überhand, und ich weiß nicht, wie lange ich noch leben werde. Ich denke, daß die Medici in Zukunft sicherer auf zwei Standbeinen stehen. Daher möchte ich meinen Einfluß im Vatikan erhöhen und werde meinen zweiten Sohn Giovanni demnächst nach Rom schicken.« Seine Augen ruhten abwartend auf Alessandro.
Alessandro war froh, daß Lorenzo sprach. Er fühlte sich total verwirrt. Gerade noch wollte er am liebsten nach Frankreich gehen, jetzt erschien ihm eine Aufgabe in Rom als Lösung. Auf jeden Fall brauchte er etwas, was ihn von Silvia befreite. Aber Lorenzos Befürchtungen verstand er nicht recht. Sollte der große Lorenzo sich vor dem Einfluß eines kleinen Dominikanerpredigers fürchten? Pico hatte Savonarola wieder nach Florenz geholt, der Mönch hielt anklägerische Predigten, und die Menschen strömten ihm zu, aber warum sollte dieser fanatische Priester die goldenen Zeiten dem Ende näherbringen?
Lorenzo fuhr mit gesenkter Stimme fort: »Giovanni wird bald Kardinal. Das ist schon mit Papst Innozenz abgesprochen. Der Preis ist hoch, aber ich bin bereit, ihn zu bezahlen. Natürlich ist Giovanni mit seinen dreizehn Jahren noch viel zu jung für einen solch verantwortungsvollen Posten. Offiziell wird der Heilige Stuhl daher seine Ernennung erst in drei Jahren verkündigen. Bis dahin kann Giovanni das kanonische Recht studieren, und ich versuche, ihm in Rom eine Hausmacht zu schaffen.« Lorenzo schaute Alessandro prüfend an. »Du könntest mir dabei helfen.«
Alessandro fühlte sich von Lorenzos Vertrauensbeweis geehrt. Giovanni de’ Medici eine Hausmacht schaffen – diese Aufgabe beschränkte sich nicht auf Spitzeldienste oder langweilige Schreiberei. Er mußte nach Rom zurück, mitten hinein in die Stadt der Intriganten, mußte Allianzen schmieden und mit Geldgeschenken Gutwetter machen. Er wußte jedoch nicht, ob er dies wirklich wollte. Lag darin auch eine Zukunft für ihn?
»Versteh mich recht, Alessandro, langfristig möchte ich, daß Giovanni einmal Papst wird.« Lorenzo sah ihn forschend an.
Alessandro verzog keine Miene. »Ich weiß nicht, ob diese Aufgabe mich nicht überfordert«, erklärte er vorsichtig. Aber gleichzeitig eilten seine Gedanken weit voraus: Würde Giovanni de’ Medici tatsächlich Papst, könnte er ihm dann nicht einen einflußreichen Posten im Vatikan verschaffen? Könnte er, Alessandro Farnese, ihm nicht gar nachfolgen als Pontifex maximus? Der Medici war jünger als er, unbedarfter – wenn sein Vater ihm solch ein hochgestecktes Ziel setzte, warum sollte er, der Farnese, sich nur mit einer dienenden, zweitrangigen Rolle zufriedengeben? Gab es nicht schon einen Papst in seiner Familie? Und sechs Kardinäle? Silvia heiratete Crispo, war für ihn verloren – warum nicht doch wieder in den Kirchendienst eintreten …?
Lorenzo legte seine Hand auf Alessandros Arm. »Auch du kannst es einmal weit bringen. Du mußt nur wollen – und zwar jetzt und nicht irgendwann! Als ich so alt war wie du, starb mein Vater, und ich mußte eine schwere Verantwortung übernehmen. An seinen Aufgaben wächst der Mensch.«
»Ich werde darüber nachdenken«, erwiderte Alessandro, äußerlich ganz ruhig. Aber in seinem Innern tobte es.
Lorenzo erhob sich unter
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