Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
Rom! Es verführt nur. Es war deine Mutter, die unbedingt hier wohnen wollte. Ja, als deine Brüder noch lebten …«
Es entstand eine Pause, während der Silvia ihre körperliche Anspannung nicht verlor. Sie war froh, daß sie ihrem Vater nicht ins Gesicht blicken mußte.
»Hast du eigentlich meine Mutter geliebt?« fragte sie leise. Als er nicht umgehend antwortete, fuhr sie fort: »Oder wurdet ihr verheiratet, ohne daß man euch fragte?«
Silvia merkte, wie sich die Umarmung ihres Vaters verspannte.
»Natürlich hat man uns nicht gefragt«, antwortete er nach einer Weile. »Aber Liebe kann auch mit der Zeit entstehen. Durch Nähe. Und sie kann wachsen.«
»Wart ihr wirklich glücklich miteinander?«
»Warum fragst du?«
»Ich habe mein Leben noch vor mir, und ich möchte glücklich werden. Ist Glück nicht das Wichtigste im Leben?«
»Ohne Gottes Gnade wird niemand glücklich. Sein Wille geschehe. Wenn sein Segen auf einer Ehe liegt, dann wird sie auch glücklich.«
Silvia wollte sich herumdrehen und ihrem Vater ins Gesicht sehen. Sie wollte nicht mehr zulassen, daß er sich versteckte. Aber er hielt sie fest und legte nun seine Wange auf ihren Kopf.
»Ihr wart nicht glücklich«, sagte sie mit harter Stimme. »Du hast Mama nicht geliebt.« Als er schwieg, fügte sie noch an: »Und ich auch nicht.«
Es tat ihr leid, daß sie ihren Vater verletzen mußte, aber es lag nicht an ihr, daß er seine Schulden nicht loswurde.
»Deine Mutter hat all ihre Söhne verloren, das hat sie nie verwunden, und schließlich mußte sie auf diese schreckliche Weise sterben. De mortuis nil nisi bene . Über Tote soll man nie schlecht sprechen, das weißt du, sie rächen sich.«
Silvia mußte schlucken. »Auch ich habe meine Brüder verloren. Und du deine Söhne. Ich schäme mich für meine Gefühle, aber ich konnte sie trotzdem nicht lieben.«
Während ihr die Tränen über die Wangen liefen, richtete sich ihr Vater auf. Er strich ihr mit einer sorgenden Geste über den Kopf und stellte sich, ihr den Rücken zudrehend, vor das Wandregal. Er nahm die alte Sanduhr und drehte sie um, legte dann die Bücher ordentlich übereinander.
»Sie besucht mich jede Nacht«, sagte er leise. »Sie will, daß ich dich ordentlich verheirate. Aber sie will nicht, daß ich den Bastard aufziehe oder gar adoptiere. Sie will ihn sterben sehen.«
Silvia schrie auf. »Das darfst du nicht sagen! Du beschwörst seinen Tod!« Und wieder brachen Tränen aus ihren Augen, und sie schluchzte hilflos auf.
»Es sterben so viele Kinder«, sagte ihr Vater, »das weißt du genau, es ist Gottes Wille.«
Silvia trommelte nun mit ihren Fäusten auf seinen Rücken. »Sandro darf nicht sterben. Wenn er stirbt, sterbe ich auch. Ich habe nur ihn.«
Ihr Vater drehte sich um, nahm ihre Hände und sah sie traurig an. »Er ist ein gesundes Kind, er wird nicht sterben. Und außerdem: Hast du nicht auch mich?«
»Und wenn sie ihn verflucht?«
»Tote haben keine Macht über Lebende.«
»Wirklich?«
»Man darf ihnen keine Macht einräumen.«
»Das ist etwas anderes.«
Der Vater stand verloren vor ihr. »Du hast recht«, sagte er und schaute auf den Boden.
Silvia konnte den Anblick ihres Vaters nicht ertragen. Sie wollte die Treppe hinunterrennen und nach Sandro sehen, aber als sie aus dem Zimmer stürmte, kam er gerade hochgetappt, den Vogel vorsichtig in der Hand haltend.
»Papa, Papa!« rief er. »Er pickt mir immer in den Finger. Das kitzelt.«
Ihr Vater war neben sie getreten, und nun traten ihm Tränen in die Augen.
»Ich werde Sandro mit nach Frascati nehmen und dort aufziehen. Er ist mein Sohn, mein einziger Sohn. Gott hat ihn mir geschenkt.« Er nahm Sandro hoch und gab ihm einen Kuß auf die Wange. Der Zeisig pickte nach ihm, und er mußte lachen. Auch Sandro lachte.
»Wir gehen alle zusammen nach Frascati«, rief Silvia. »Ich werde euch nie verlassen.«
»Wir können nicht zusammen gehen«, sagte der Vater nach einer Weile. »Du mußt heiraten, das weißt du doch. Du mußt Giovanni Crispo heiraten. Dann wird alles gut.«
28. K APITEL
Eine Serie ferner Blitze ließ erahnen, daß sich etwas über den Köpfen zusammenbraute. Alessandro strich nach dem Empfang der Signoria, den er später als der Kardinalssohn verlassen hatte, durch die Straßen der Stadt, weil er noch keine Müdigkeit spürte. Immer wieder sah er Cesare vor sich und fragte sich, ob ihn der Sohn des spanischen Kardinals nun abstieß oder ob er ihm Bewunderung abnötigte.
Um sich
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