Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
lief er zu dem Vater und faßte seine Hand. »Silvia hat mir ihren Zeisig geschenkt. Komm, ich will ihn dir zeigen, Papa!«
Der Vater lächelte Sandro an, noch immer mit abwesendem Blick, schüttelte dann den Kopf.
»Ich hole ihn«, rief Sandro und rannte zur Treppe, auf der er sich Schritt für Schritt nach unten bewegte.
Silvia, die ihm nachgeschaut hatte, wandte sich nun wieder ihrem Vater zu.
»Ich liebe Giovanni Crispo nicht«, sagte sie mit Nachdruck in der Stimme.
Der Vater klopfte nervös mit den Fingern auf das zerfledderte Buch. Er schaute sie nicht an. »Ich weiß, du träumst deinem Farnese nach, aber Träume bezahlen mir keine Schulden, und solange sich der Rovere ziert … er ist ein alter Fuchs, er weiß wahrscheinlich, daß ich mit dem Rücken zur Wand stehe, und daher will er seine fette Tochter möglichst billig verhökern.«
Silvia waren die Reden ihres Vaters seit Monaten sattsam bekannt. Sie starrte auf den Treppenabsatz, hinter dem der kleine Sandro verschwunden war. Wenn sie ihn nicht hätte! Er war ihr einziger Lichtblick in diesen Jahren des Wartens und der Langeweile. Aber jetzt hoffte sie auf einen zweiten Lichtblick. Giulia hatte ihr berichtet, daß Alessandro zusammen mit seinem älteren Bruder bald zurückkehren werde, und ihre Mutter hätte mit Adriana del Mila vereinbart, nicht nur sie mit Orso zu verheiraten, sondern auch Orsos Schwester Lella Angelo Farnese zur Frau zu geben. Vielleicht könne man sogar eine Doppelhochzeit feiern. Natürlich habe sie schon mit Kardinal Borgia gesprochen. Die Häuser Orsini, Caetani und Farnese würden nun noch enger zusammengeschmiedet und außerdem mit den Borgia verbunden, auf diese Weise sei man nicht nur den Colonna gegenüber stärker, sondern könne auch über Kardinal Caetani, dem Bruder von Madonna Caetani, die Stellung Rodrigos im Konsistorium stärken, und wenn dies gelänge, auch Alessandro wieder in der Kurie verankern …
»Mit anderen Worten«, unterbrach Silvia Giulias Wortschwall, »deine Mutter denkt nicht mehr daran, daß Alessandro und ich … vielleicht …«
Giulia blickte zur Seite. »Was weiß ich, was meine Mutter denkt und plant. Die letzten Nachrichten aus dem Vatikan zeigen, daß der Papst Alessandro verziehen hat und mein Bruder nach Rom zurückkehren darf, vielleicht sogar eine Stelle als apostolischer Sekretär bei Kardinal della Rovere erhält.« Und dann begann sie wieder von dem Hochzeitskleid zu schwärmen, das bei dem besten Schneider von Rom in Arbeit sei und mit Edelsteinen bestickt werde.
Auch Orso habe sie nun näher kennengelernt. »Er ist ein sehr höflicher Mensch, trotzdem hat er mich mit seinem einen Auge verschlungen. Kardinal Borgia will es sich nicht nehmen lassen, uns beide ins Brautgemach zu führen – du weißt ja, daß er auch mein Beichtvater ist. Er ist so liebevoll und voller Verständnis!«
»Hast du keine Angst mehr?« unterbrach sie Silvia. Giulia schaute sie nun ernst an, und wie schon hundertmal zuvor, war Silvia fasziniert von der ruhigen Schönheit, die ihr Antlitz ausstrahlte. Die ausgewogenen Gesichtszüge erweckten in ihr immer wieder Bewunderung und ließen gleichzeitig den eindringenden Blick abprallen. Giulia zeigte während der letzten Zeit verstärkt die Angewohnheit, sich hinter die Maske ihrer Schönheit zurückzuziehen. Dann war sie plötzlich auch ihrer Freundin Silvia fremd.
»Madonna Adriana hat mir einmal zugeflüstert, daß die Ehe nicht nur Pflichten, sondern auch Freuden bringe, und daß ein erfahrener Mann auf dem Instrument eines schönen Körpers zu spielen verstünde.«
Silvia verstand ihre Freundin nicht mehr. Sie verstand weder die Logik dessen, was Giulias zukünftige Schwiegermutter sagen wollte, noch verstand sie Giulias Gefühle. Der Mund ihrer Freundin lächelte, aber die Augen lächelten nicht mit.
Noch immer starrte Silvia die Treppe hinab. Ein Stockwerk tiefer hörte sie den kleinen Sandro nach seinem Vogel rufen. Die Amme antwortete ihm, und eine der Hausmägde scherzte laut mit dem Verwalter.
Plötzlich spürte sie, wie zwei Arme sich um ihren Oberkörper legten. Ihr Vater war hinter sie getreten und drückte sie an sich. Dies hatte er seit Jahren nicht mehr getan.
»Ich weiß nicht mehr weiter«, flüsterte er. »Mit Clarissas Mitgift könnte ich Frascati auslösen. Dann hätten wir wieder Einnahmen. Ich würde unser Haus in Rom verkaufen, mit dem Erlös deine Mitgift zahlen und mich schließlich nach Frascati zurückziehen. Was bietet mir
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