Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bergfriedhof

Bergfriedhof

Titel: Bergfriedhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
Vom Netzwerk:
ausdruckslos. »Das tut mir jetzt aber leid, Herr Keller.«
    »Killer«, sagte ich. »Nicht Keller. Wird öfters verwechselt.«
    In der Küchentür stand Fatty, ein Geschirrtuch in der Hand. Zusammengenommen waren wir beide etwa genauso dick wie unsere Besucher. Anders gesagt, ergab sich ihr jeweiliger Hüftumfang aus der rechnerischen Mitte zwischen meinem und dem Fattys.
    »Das ist mein Neffe«, stellte ich ihn vor. »Friedhelm Sawatzki. Friedhelm, gib schön Pfötchen. Das hier sind Herr Meyer und Herr Neffe von den Darmstädter Chemiebetrieben.«
    Fatty machte große Augen und streckte mechanisch eine Hand aus; Cajetan Meyer ignorierte ihn lächelnd.
    »Schön haben Sie es hier, Herr Koller. Bitte, wir wollen Ihnen keine Umstände machen. Vielleicht sind Sie gerade erst nach Hause gekommen.«
    »Sie wollten in mein Büro. Gerne, gehen wir. Stopp! Sie haben soeben mein Büro betreten. Nehmen Sie Platz und legen Sie ab. Was möchten Sie trinken? Friedhelm, wärst du so freundlich und würdest den Gästen deines Onkels einen Kaffee bereiten? Ich habe den Filter schon aufgesetzt, du musst nur noch Wasser aufgießen.«
    Fatty starrte mich an, ohne sich zu rühren.
    »Na, komm. Die Herren sind von weither angereist. Über die Bundeslandgrenzen. Tu uns den Gefallen.«
    »Der Filter ... du meinst den Filter, der schon auf der Kanne ist?«
    »Und für jeden eine Tasse bitte.« Ich zeigte auf Meyers Neffen. »Oder ist er noch zu klein für Kaffee?«
    Meyer zwinkerte seinem Begleiter zu. »Ach, ich denke, da können wir mal eine Ausnahme machen ... Bitte, Herr Koller, sagen Sie uns doch, was in Ihrem Büro Sie als Stuhl bezeichnen würden und ob man gefahrlos darauf Platz nehmen kann.«
    »Man ja«, antwortete ich und schob ihm meinen zerbrechlichsten Stuhl hin.
    »Herzlichen Dank«, grinste er und reichte ihn an seinen Neffen weiter. Er selbst ließ sich in einen Sessel fallen und begann sofort mit seinem Sermon. »Ja, Herr Koller«, sagte er, die Hände über dem Bauch gefaltet, »wie ich schon erwähnte, waren wir beide gerade auf dem Weg nach St. Leon-Rot, um unsere Golfpartie, die wir zusammen mit meinem Freund Dietmar Hopp gestern Abend in Darmstadt begonnen hatten, aber wegen der ungünstigen Witterung abbrechen mussten, ich weiß nicht, ob es bei Ihnen in Heidelberg auch so gewittert hat, bei uns jedenfalls war um acht Land unter, weshalb wir beschlossen, die letzten Schläge heute nachzuholen, zusammen mit meinem lieben Freund Dietmar Hopp. Und natürlich mit meinem Neffen hier.« Er zeigte überflüssigerweise auf seinen Begleiter, der ebenso überflüssigerweise nickte. »Und da dachten wir uns, wenn wir schon einmal auf der Durchreise durch das schöne Heidelberg sind, dann können wir doch auch gleich dem Herrn Koller einen Besuch abstatten und ihm sagen, was uns auf dem Herzen liegt. Nicht wahr?«
    Der Neffe nickte.
    »Sie wollen mich engagieren«, sagte ich.
    Da lachte der gute Cajetan Meyer wieder, dass seine Wampe ins Schaukeln geriet. Er war ein von Grund auf fröhlicher Mensch, das sah man sofort, ein Südhesse, der seine Herkunft nicht verleugnete, mit einem weichen, breiten Doppelkinn. Seine Stimme klang volksnah und zufrieden, sie klang nach Rheinhessenwein und Christlicher Arbeitnehmerorganisation. Schön, sagte diese Stimme, dass es so einen wie mich im Manchesterkapitalismus noch gibt.
    »Engagieren«, lächelte der gemütliche Unternehmersohn, »ist vielleicht der falsche Ausdruck. Aber wir werden sehen. Wir werden sehen. Gefällt es dir hier, Neffe?«
    »Es gefällt mir sehr gut hier«, antwortete der andere. Vom Alter hätte er tatsächlich Meyers Neffe sein können, auch von der Statur. Nur, dass seine Körperfülle aus trainierter Muskulatur bestand und nicht aus müden Fettlappen wie bei seinem Onkel. Er hatte kleine dunkle Augen und trug einen sorgfältig getrimmten Vollbart.
    »Ich bin untröstlich«, sagte ich, »dass es mit dem Kaffee so lange dauert. Tüchtige Verwandtschaft ist heutzutage so schwer zu bekommen.«
    »Wem sagen Sie das«, seufzte Meyer. »Überhaupt, das Personal. Deshalb bin ich von der Qualität Ihrer Arbeit ja so angetan. Ihr Ruf eilt Ihnen voraus, Herr Koller. Bis nach Darmstadt.«
    »Letztes Jahr ist er noch in Leutershausen hängengeblieben.«
    »Herr Koller, Herr Koller ...« Fast zärtlich ruhte Meyers Blick auf mir. »Sie sind wirklich etwas Besonderes. Aber Sie haben einen gefährlichen Beruf, stimmts?« Er zeigte mit einem Finger auf meine linke

Weitere Kostenlose Bücher