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Bergfriedhof

Bergfriedhof

Titel: Bergfriedhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Nächstenliebe verspürt. Was ihn übrigens nicht davon abhält, sich auch mit einem vom Corps Thuringia rumzukloppen. Komisch, nicht wahr? Und dann erzählt er jedem, der es hören oder nicht hören will, Märchen aus Tausendundeiner Nacht. Dass er als Journalist bei den Neckar-Nachrichten arbeitet, einen Artikel über deinen Alten schreiben möchte et cetera. Und dem senilen Arsani kriecht er nebenbei auch noch in den Arsch.«
    »Dem ... dem Arsani?«
    »Jetzt frage ich mich natürlich, was dieser Mensch will. Zunächst dachte ich an einen Krawallreporter aus der linken Ecke, der bei den Korporierten herumschnüffelt, weil er sich für einen Enthüllungsjournalisten hält. Aber dieser Koller ist Detektiv. Der arbeitet nicht auf eigene Faust. Nein, dahinter steht ein konkretes Interesse an einer ganz bestimmten Person. Und in diesem Zusammenhang finde ich es sehr bemerkenswert, dass er sich ausgerechnet an dich heranmacht.«
    »An mich?«, rief Arndt. »Verdammt noch mal, das kann nicht sein!«
    »Bist du blind? An wen denn sonst? Von den anderen will er nichts. Bei mir ist er vorsichtig. Um etwas über dich zu erfahren, hat er ja sogar die Geschichte mit dem Artikel über deinen Großvater erfunden.«
    Nach diesen Worten herrschte wieder Stille. Arndt zog die Nase hoch und ließ sich auf das Wartebänkchen plumpsen. Er begann sich die nassen Haare zu raufen, ganz langsam, mit klammen Fingern. Weiter oben, in meinem Efeuversteck, presste ich die Zähne aufeinander. Mein Kopfweh war verschwunden, oder ich hatte es vergessen. Von mir aus hätten die beiden noch stundenlang weiterreden können.
    »Ich glaube«, sagte Marten nach einer Weile, »du solltest mir etwas erzählen.«
    »Gar nichts sollte ich«, fuhr Arndt auf. »Gar nichts. Es ist völlig absurd zu glauben, dass der Typ etwas von mir will. Vielleicht hat er es auf meinen Opa abgesehen. Das wäre einleuchtender.«
    »Lenk nicht ab, Arndt. Der Mensch ist hinter dir her, und das finde ich nicht mal überraschend.«
    »Spinnst du?«
    »Wenn hier einer spinnt ...«, bellte der Lange los, hatte sich aber gleich wieder im Griff. »Kannst du mir vielleicht erklären, was mit dir seit ein paar Tagen los ist? Warum man mit dir kein vernünftiges Wort mehr reden kann? Warum du nachts stundenlang durch den Regen fährst, warum du nicht mehr bei uns übernachtest, sondern nur noch bei deinen Großeltern, was früher so gut wie nie vorkam? Oder weshalb du ...«
    »Halts Maul, Marten«, zischte Arndt hasserfüllt.
    »Frag doch die anderen, wenn du mir ...«
    »Schnauze!«, brüllte der junge Bünting. »Du weißt genau, warum das so ist. Daran seid nur ihr schuld! Ich habe genug von eueren Mutproben und Tapferkeitsbeweisen. Das kotzt mich alles an! Du hast die anderen nach der Mensur auf mich gehetzt, das werde ich dir nie verzeihen. Ihr seid gar keine Gemeinschaft, ihr seid ein ... ein Haufen von ...« Er suchte nach einem geeigneten Wort und fand keins.
    »Moment, Moment«, lachte Marten. »Immer mit der Ruhe und eins nach dem anderen. Niemand zwingt dich, bei uns zu bleiben, wenn dir etwas nicht passt. Was ich persönlich allerdings sehr bedauerlich fände. Darüber kann man reden. Und was die Mensur angeht: Mein Gott, die Sprüche danach gehören dazu, das weißt du. Vielleicht hätte der ein oder andere unterbleiben können – Geschmackssache. Was meinst du, wie es mir nach meiner Mensur erging? Dagegen war das nichts. Fechten gehört nicht zu meinen Stärken, die liegen auf anderem Gebiet. So sagte ich mir damals, und du solltest es genauso tun.«
    »Und bei der Ehrenfeier am Freitag? Als mich Georg vor der ganzen Gruppe fertiggemacht hat?«
    »Ach, der ... Der war besoffen. Georg ist immer besoffen.«
    »Du nicht. Und du hast ihn aufgestachelt!«
    »Unsinn!«, entgegnete Marten scharf. »Wir haben anfangs ein paar Witze gemacht, alle. Und als es zu arg wurde, haben wir versucht, Georg zu bremsen. Dass er zu viel säuft, ist sein Problem. Aber dass dir dann nichts besseres einfällt, als abzuhauen und den Beleidigten zu spielen, ist dein Problem.«
    »Scheiß Problem!« entfuhr es Arndt. »Ihr könnt mich alle mal.« Dann trat er gegen eine Werbewand des Haltestellenhäuschens.
    »Lass das«, sagte Micevski und schüttelte den Kopf. »Du bleibst also dabei: Unser Verhalten ist die alleinige Ursache für deinen derzeitigen Eskapismus?«
    Arndt zuckte die Achseln und ließ ein Schnauben hören.
    »Nun gut. Wenn dem so ist, will ich nicht länger darauf herumhacken.

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