Bergfriedhof
einen kleinen Glastisch gestellt hatte. Mit der anderen Hand zog er eine Visitenkarte aus seiner Jackettasche und reichte sie mir. Es war das Kärtchen einer Neuenheimer Reinigung. »Sehr zu empfehlen«, sagte er. »Außerdem verwenden sie unsere Produkte.«
Ich schwieg. Meyer würde mir gleich vorführen, was er mit der Reinigung bezweckte.
»Lieber Neffe, wärst du so freundlich und würdest deinen Kaffee über Herrn Kollers Jacke schütten? Danke sehr.« Er nahm einen Schluck aus seiner Tasse, setzte sie aber sofort wieder ab. Sein Begleiter stand gehorsam auf und näherte sich, den Kaffee in der Hand, meinem Schreibtisch. Ich rührte mich nicht. Dafür sprang Fatty von seinem Hocker im Hintergrund auf und stellte sich neben mich. Zu mehr reichte seine Energie allerdings nicht. Er stand hilflos da und sah zu, wie sich der heiße Inhalt der Tasse über meine auf dem Schreibtisch liegende Jacke ergoss. Der Neffe wartete bis zum letzten Tropfen Kaffee, dann überlegte er ... grinste ... und zerdrückte die Tasse in seiner behaarten Pranke. Kleine Porzellansplitter fielen auf die nasse Jacke. Fatty schluckte.
»Setz dich«, schnarrte Meyer und schaute missbilligend. Der Neffe gehorchte.
»Friedhelm«, sagte ich, »wir müssen die Jacke zur Reinigung bringen. Da hat sich vorhin ein Müllmann die verschissenen Hände dran abgewischt.«
»Jaja«, summte Meyer, »wollen wir hoffen, dass das Wetter hält. Man weiß ja nie ... Apropos, Herr Koller, wissen Sie, was meine Erfahrung aus 20 Jahren Unternehmensführung ist?«
»19 Jahren«, verbesserte ich. »Vor 20 Jahren hat Ihnen noch Ihr Vater den kleinen Cajetan beim Pinkeln gehalten.«
»Oh, wie recht Sie haben«, amüsierte er sich. Bestimmt gefiel ihm, dass mein Geduldsfaden allmählich zu reißen begann. »Kopfrechnen war noch nie meine Stärke. Meine Stärke liegt viel mehr auf dem Gebiet der ... nun ja, jedenfalls sagt mir meine langjährige Berufserfahrung, dass es genau zwei Sorten von Privatdetektiven gibt: Die einen, das sind zuverlässige, diskrete Personen, die einen Auftrag ordnungsgemäß ausführen, ohne großes Trara drumherum, so recht als loyale Dienstleister.«
»Und die anderen halten sich für Philip Marlowe und Supermann gleichzeitig, kennen nur das Gesetz des Dschungels, saufen Schnaps, schlafen mit ihren weiblichen Klienten und stecken ihre Nase in Sachen, die sie nichts angehen. Habe ich recht?«
»Und zu welcher Sorte gehören Sie, Herr Koller?«
»Zu denen, die ein blaues Auge und Kaffee auf der Jacke haben. Die sich kaputtlachen, weil vor ihnen ein Darmstädter Würstchen sitzt, das vor lauter Angst um die väterliche Firma Sorbinsäure ausschwitzt.«
Der Neffe räusperte sich und zog die Augen zusammen.
»Sorbinsäure«, sagte Meyer nachdenklich. »Das ist wirklich interessant ... Haben Sie deswegen den langen Weg in unsere schöne Stadt auf sich genommen?«
»Nein.«
»Weswegen dann?«
»Hat Ihnen das Ihre geföhnte Schlingpflanze nicht verraten?«
Meyer machte den Mund ganz spitz. »Sie sprechen in Rätseln, Herr Koller.«
»Knöterich. Der Ethnologe. Er hat mir einiges über Herrn Bünting erzählt.«
»Dr. Bünting«, sagte der Neffe. »So viel Zeit muss sein.«
»Dr. Menschenfresser Bünting, richtig.«
»Unser geschätzter ehemaliger Mitarbeiter«, nickte Meyer. »Warum suchen Sie ihn nicht persönlich auf? Er wohnt doch in Heidelberg. Was wollen Sie von ihm?«
»Wissen Sie, Herr Meyer, ich bin noch keiner dieser loyalen, zuverlässigen Dienstleister, die Sie so schätzen. Aber ich bin auf dem Weg dorthin. Und deshalb werde ich zu Fragen nach meinen Absichten, meiner Motivation, meinen Gründen in Sachen Bünting schweigen. Schweigen müssen, Herr Meyer, das verstehen Sie doch?«
»Wie dumm von mir! Ich bin ganz Ihrer Meinung, Geschäftsfreund. Einen Moment lang glaubte ich, Sie wollten mir gewisse Fragen zu Dr. Bünting stellen, die ich dann postwendend beantwortet hätte. Auch wenn der Kontakt zu unserem besten Mann seit seinem Ausscheiden aus der Firma abgerissen ist.«
»Wie bedauerlich.«
»Äußerst bedauerlich, Herr Koller.«
»Sonst hätte ich Sie gefragt, welche Sünden der Vergangenheit Hanjo Bünting um jeden Preis verheimlichen möchte.«
»Schade, dass Sie es nicht fragen dürfen«, sagte Meyer und lächelte. »Meine Antwort bestünde in einer ausführlichen Bekundung des Nichtwissens.«
»Sehen Sie, so spart man jede Menge Zeit.«
Der Besucher aus Darmstadt setzte seinen rechten Ellbogen auf die
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