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Bergfriedhof

Bergfriedhof

Titel: Bergfriedhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Lehne des Sessels, stützte sein weiches Kinn in die Handfläche und schmunzelte. Dann sagte er: »Eine Sache, lieber Herr Koller, würde ich ganz gerne geklärt sehen. Vermutlich ist sie längst geklärt, aber ich bin in solchen Dingen ein wenig schwer von Begriff. Ihre derzeitige Tätigkeit, ich formuliere das einfach mal so, erstreckt sich auf die Person des von uns allen hochgeschätzten Dr. Bünting ... während Ihr Interesse an den Darmstädter Chemiebetrieben, in Zahlen ausgedrückt, gegen null tendiert. Ist das korrekt?«
    Ich sah den Gemütlichen direkt an. Irgendwann musste dieser lächerliche Auftritt ja ein Ende haben. Als Firmenerbe konnte man es sich leisten, den ganzen Tag zu spielen, Golf oder Scharaden oder was auch immer. Bei einem hart arbeitenden Privatermittler sieht das anders aus.
    »Das ist korrekt«, sagte ich.
    »Na, das wird meinen Neffen aber freuen«, strahlte er. Der Neffe strahlte nicht, im Gegenteil, er sah fast ein wenig enttäuscht aus. »Sogar sehr freuen wird ihn das. Dann ist ja alles in schönster Ordnung, nicht wahr?«
    Fatty atmete erleichtert auf.
    »Noch einen Kaffee?«, fragte ich.
    »Danke, aber ich fürchte, wir müssen allmählich ...« Er schob den linken Ärmel zurück, sah bestürzt auf seine Uhr und erhob sich.
    »Einen Moment, Geschäftsfreund«, hielt ich ihn auf. »Ich habe Ihnen was zu sagen.«
    »Was das wohl sein mag?« Er zwinkerte seinem Neffen zu, der sich nicht gerührt hatte.
    »Ihr Ausflug nach Heidelberg war überflüssig, Herr Meyer. Mich interessiert nur Bünting. Anfangs dachte ich noch, Ihr ehemaliger Mitarbeiter, zu dem Sie ja kaum noch Kontakt haben, hätte beruflich ein krummes Ding gedreht, aber davon bin ich abgekommen. Bünting hat irgendwo im privaten Bereich Dreck am Stecken, und ich werde rauskriegen, was es ist. Trotzdem bin ich froh, dass Sie gekommen sind. So konnte ich mich nämlich persönlich davon überzeugen, was Sie für ein stinkendes Stück Scheiße sind, Geschäftsfreund, und das ist ja auch etwas wert.«
    »Wenn Sie Probleme mit der Zirbeldrüse haben«, sagte er freundlich, »unsere Forschungsabteilung hat da etwas entwickelt ...«
    »Ihr ganzer Auftritt, Herr Meyer, ist mir egal. Ihr Gegr inse, Ihr Neffe, Ihr Golftermin mit irgendwelchen Lokalgrößen ebenfalls. Beeindruckt mich nicht. Was mich beeindruckt« – und damit erhob ich mich, so dass wir uns Auge in Auge gegenüberstanden, nur durch die Tiefe des Schreibtischs voneinander getrennt – »was mich beeindruckt, Geschäftsfreund, das ist ein totes Mädchen, das beim besten Mann der DACH im Garten liegt. Sie haben nichts damit zu tun, ich weiß, Sie waschen Ihre Hände in Unschuld, chemisch rein, aber meiner Meinung nach haben Sie doch etwas damit zu tun. Sie mit Ihrem Geld, Ihrer Börsennotierung und Ihrer Marktgeilheit, Sie sind mitverantwortlich dafür, dass Bünting so geworden ist, wie er ist. Der hat das Mädchen nicht umbringen lassen, weil er eine schwarze Seele hat, weil er ein Teufel ist, sondern weil er dazu gemacht wurde, von Leuten wie Ihnen und Ihrem Vater. Bünting hat Angst, er bibbert um seine Position, um sein Ansehen, um seine Macht, und deshalb schlägt er um sich und zertritt alles, was sich unter seinen Schuhsohlen regt. Sie wären wahrscheinlich zu feige, um einen Mord in Auftrag zu geben, aber der Ekel, mit dem Sie gleich diese Wohnung verlassen werden, ist der gleiche Ekel, den Bünting vor den beiden Menschen empfand, bevor er sie umlegen ließ. Deshalb sind Sie für mich ein Stück Dreck, Meyer, ein Stück Scheiße. Und jetzt hauen Sie ab.«
    Der Unternehmer lächelte unverwandt. Neben mir hörte ich Fatty schnaufen; Meyers Neffe saß kerzengerade auf seinem Stuhl und zuckte mit dem kleinen Finger.
    Meyer kicherte. »Wissen Sie was, lieber Herr Koller?«, fragte er. »Nun verrate ich es Ihnen doch. Ja, ich verrate Ihnen, was ich mit meinem Neffen besprochen habe, bevor wir uns nach Heidelberg aufmachten. Ich sagte ihm, Neffe, pass gut auf, wenn der Herr Koller mich anfasst, wenn er mich nur irgendwo anrührt, mit einer Fingerspitze oder Nasenspitze, ganz egal, dann fasst du ihn auch an. Ihn und seine ganze Wohnung. Die dürfen anschließend nicht mehr so aussehen wie vorher.«
    »Und? Habe ich Sie angefasst?«
    Er grinste breit. »Eine feuchte Aussprache gehört auch dazu«, sagte er.
    Es dauerte einen Moment, bis der Neffe kapierte. Dann fiel der Stuhl um, auf dem er gesessen hatte, und ein schwarzer Schatten schoss auf den Schreibtisch zu.

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