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Bergfriedhof

Bergfriedhof

Titel: Bergfriedhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Gesichtshälfte.
    »Ich habe mit meinem Neffen gewettet, dass ich eine Bierflasche mit dem Auge aufkriege«, sagte ich. »Bei der zwölften hat es funktioniert.«
    Der Neffe konnte ein Lachen nicht unterdrücken. Zumindest denke ich mir, dass es ein Lachen war. Seinem Onkel gefiel es allerdings nicht. »Lass das!«, herrschte er ihn an. »Und jetzt raus, Hände waschen!« Der Neffe stand folgsam auf und trottete, von meinem Zeigefinger geführt, in die Küche.
    »Er hat immer so schmutzige Hände«, lächelte Meyer entschuldigend. »Und ich möchte nicht, dass er Ihre Tassen – besitzen Sie Tassen, Herr Koller? –, dass er Ihre Tassen einsaut.«
    »Ich wusste nicht«, erwiderte ich, »dass man in der Chemiebranche so viel Zeit an einem Werktag hat. Ich werde sofort meine Aktien abstoßen.«
    »Aber Sie haben ja recht«, rief Meyer bestürzt, »Sie haben recht, Herr Koller! Da stehle ich Ihre Zeit, Ihre kostbare Arbeitszeit ... Wie konnte ich das nur vergessen? Ich will Ihnen sagen, was uns auf dem Herzen liegt, meinem Neffen und mir. Weshalb wir hier sind. Natürlich zunächst, um zu sehen, wie Sie wohnen, wie Sie hausen, das sagt schon einiges über den Menschen.« Er sah sich genüsslich um. Sein Blick fiel auf ein Plakat des Finkenbach Open Air aus den frühen 90ern. Ein Kunde bot mir mal 50 Euro für den Lappen. Cajetan Meyer hielt es vermutlich für bedrucktes Klopapier. Der Neffe kam zurück und wischte sich die nassen Hände an meiner Jacke ab, die auf dem Schreibtisch lag. Dann nahm er wieder brav auf seinem klapprigen Stuhl Platz.
    »Ja, so lebe ich«, meinte ich. »Aber nur mittwochs. Den Rest der Woche finden Sie mich unter der Theodor-Heuss-Brücke. Schon mal gehört: Theodor Heuss? War’n berühmter Golfspieler.«
    Der Unternehmersohn aus Darmstadt lächelte mich an. Ein wenig fürsorglich, ein wenig mitleidig, aber immer freundlich. Ein angenehmer Mensch, dieser Cajetan Meyer. Ob für seinen Bruder auch noch etwas Freundlichkeit übrig geblieben war? Oder war Caspar der Böse der beiden Meyers, der Fußtritte verteilte und den Sekretärinnen in den Ausschnitt griff?
    »Lieber Herr Koller«, sagte Meyer. »Mein lieber Geschäftsfreund. Sie dürfen uns nicht länger auf die Folter spannen. Verraten Sie uns doch einfach ... Willst du es ihn fragen, lieber Neffe? Nein? Gut, dann tue ich es. Verraten Sie uns, Geschäftsfreund, was Sie an den Darmstädter Chemiebetrieben so sehr interessiert.«
    Fatty kam herein, in den Händen ein Tablett – wo immer er das auch gefunden hatte – und darauf eine Kanne Kaffee, drei Tässchen, Zucker und Milch. Fehlte nur noch die Schürze.
    »Nichts«, sagte ich.
    Kleine Pause. Meyer wartete lächelnd. »Nichts?« wiederholte er schließlich.
    »Nein, nichts. Einen Kaffee, die Herren?« Ohne eine Antwort abzuwarten, schenkte ich ein. »Warum nur drei Tassen, Friedhelm? Soll Herr Meyer leer ausgehen? Nicht, dass er uns beim Putten an Loch 18 einschläft.«
    »Nein, nein«, wehrte Fatty ab. »Die Tassen sind für euch. Ich möchte nichts, danke. Ich hab schon ...«
    »Das ist nicht sehr höflich, lieber Neffe«, drohte ich ihm. »Wo doch die Herren schon am Gehen sind.«
    »Hast du gehört, was er gesagt hat?«, fragte Meyer seinen Begleiter. »Er interessiert sich gar nicht für die DACH. Der liebe Herr Koller stattet unserer Presseabteilung höchstselbst einen Besuch ab, dabei interessiert er sich gar nicht für uns. Ob er sich in der Tür geirrt hat?«
    »Er ist Ethnologe«, sagte ich.
    Für einen kurzen Moment sah Meyer irritiert aus. »Bitte?«, fragte er sanft.
    »Herr Knöterich hat Ethnologie studiert. Abschlussarbeit über die Rituale der Hutu.«
    »Interessant ...«
    »Nicht wahr? Ich wollte, dass Sie über die Vergangenheit Ihrer Mitarbeiter informiert sind. Oder ist Herr Knöterich auch Ihr Neffe?«
    Meyer lachte glucksend. »Ach, lieber Herr Koller, manchmal ist das Leben ein einziges Vergnügen. Wenn Sie wüssten, wie ich mich auf meine Golfrunde freue ... Mit meinem Freund Schnappauf von den Neckar-Nachrichten spiele ich auch bisweilen. Und wissen Sie was? So ein Zufall: Da ruft mich mein Freund Albert Schnappauf gestern Abend an und erzählt mir eine drollige Geschichte von einem Privatermittler aus seiner Stadt, der sich als Mitarbeiter seiner Zeitung ausgegeben hat, um sich in unserem Hause Informationen zu erschleichen. Was sagen Sie jetzt?«
    »Der Kaffee wird kalt.«
    »Das stimmt, Herr Koller.« Er griff nach seiner Tasse, die Fatty neben ihn auf

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