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Bergfriedhof

Bergfriedhof

Titel: Bergfriedhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Mich würde nur noch eines interessieren: Was ist eigentlich aus dem Serben geworden, der bei dir übernachtet hat?«
    »Nichts! Weg ist er. Fort.«
    »Er hat nicht einmal Auf Wiedersehen gesagt«, sagte Marten. Zum ersten Mal bemächtigte sich wieder Spott seiner Stimme. »Und seinen Mantel hat er auch vergessen. Der hängt noch bei uns an der Garderobe. Falls du ihn noch einmal siehst, sag ihm bitte ...«
    »Ich werde ihn aber nicht mehr sehen«, unterbrach ihn Arndt. »Er ist zurück auf den Balkan.«
    »Oh, gute Reise. Dann können wir den Mantel ja zur Altkleidersammlung geben. Dein Zimmer haben wir gelüftet. Es ist wieder bewohnbar.«
    Arndt wandte sich ab und starrte hinaus in den Regen. Nach einer Minute gemeinsamen Schweigens gähnte Micevski. »Nun denn«, sagte er. »Gehen wir ins Bett. Es ist bedauerlich, dass du dich mir nicht anvertrauen willst – aber seis drum.«
    Ich zog mich rasch zurück. Um Arndt nicht zu begegnen, musste ich das Sträßchen wieder bis ganz nach oben laufen und warten, bis er im Haus verschwunden war. Meine Radruine ließ ich seitlich liegen; sie fiel nicht weiter auf.
    Tief über die Lenkstange seines Fahrrads gebeugt, kam Arndt Bünting den Auweg hochgeschlichen, schloss das Tor zum Anwesen seines Großvaters auf und schlurfte hinein. Er hatte nicht einmal bemerkt, dass ihm auf halber Strecke das Burschenband aus der Brusttasche gefallen war.
     
     

37
    Einen Schnupfen hatte ich mir in dieser verregneten Nacht nicht geholt. Meistens merkt man das ja erst am übernächsten Tag. Dafür schmerzte die Gegend um mein linkes Jochbein. Zwei dieser professionellen Faustschläge innerhalb kürzester Zeit, das verträgt das widerstandsfähigste private eye nicht. Fatty, die gute Seele, machte mir kalte Umschläge, wobei er wortreich das Schicksal der bedauernswerten, unschuldigen Kleinen aus Kiew beklagte.
    Nun, bedauernswert war sie; aber unschuldig? Mich beschlichen Zweifel. Zu deutlich stand mir vor Augen (sagen wir: vor einem Auge), wie Katerina im Arsenal neben mir gesessen hatte, den Blick gesenkt, die Lippen verschlossen. Wer hatte da eigentlich wen ausgenommen? Zwei Cappuccino und Schwarzwälder Kirsch gegen null Information. Ein Wimpernschlag da, ein knappes Lächeln dort, ansonsten hatte sie bloß mit ihrer goldenen Halskette gespielt. Vielleicht hatte sie wirklich nichts gewusst. Aber wenn doch: Dann war ich möglicherweise der Anstifter zu einer Erpressung geworden – und somit die Ursache für einen Mord.
    Diese Gedanken bewegte ich in meinem mitgenommenen Schädel hin und her, während mich Fatty verarztete.
    Plötzlich hielt er inne und sah mich scharf an.
    »Was denkst du gerade, Max?«
    »Ich? Dass du bald zu deinen Kleinen musst. Oder nicht?«
    Er blickte zur Uhr. »Ja, verdammt, ich bin längst überfällig. Aber wie soll ich denn unter diesen Umständen ...?«
    Ich wollte eben etwas über Heidelbergs Mütter sagen, die händeringend nach seiner korpulenten Pädagogik riefen, als die Türklingel ging. Es war gerade halb neun vorbei. Der Hauseingang unten wird so selten abgeschlossen, dass meine Gäste in der Regel schon vor meiner Wohnungstür stehen, wenn sie klingeln. So war es auch in diesem Fall. Sie kamen zu zweit, und sie waren beide ziemlich beleibt. Das war das Erste, was mir an den Besuchern auffiel. Das Zweite war das breite Vertreterlächeln im Gesicht des vorne Stehenden.
    »Einen wunderschönen guten Morgen!«, sagte der Mann und deutete eine kleine Verbeugung an. »Herr Koller?«
    »Höchstpersönlich.«
    »Darf ich mich vorstellen: Meyer ist mein Name. Unser Unternehmen haben Sie ja bereits kennengelernt.« Er hielt mir eine Karte vor die Nase, in deren Mitte vier Buchstaben prangten: DACH. Sieh an, die Tablettenheinis bemühten sich nach Heidelberg.
    »Cajetan Meyer«, las ich. »Mit C, wie es sich gehört. Und das hier ist Ihr Bruder?«
    »Um Gottes Willen, nein.« Meyer lachte, dass es ihn schüttelte. »Mein Bruder ... nein, nein, das ist mein Neffe. Ich habe ihn mitgebracht, weil wir gerade zusammen auf dem Weg ... Sollen wir uns nicht lieber in Ihrem Büro weiter unterhalten, Herr Koller? Oder kommen wir ungelegen?«
    »Nun, wenn ich ehrlich bin ...«
    »Dann kommen wir eben ungelegen«, strahlte der beleibte Herr Meyer und schob sich an mir vorbei in mein Wohnzimmer, das gleichzeitig als Büro dient. Und als Esszimmer, wenn ich Gäste habe. Der Neffe folgte ihm. Dabei trat er mir ganz unabsichtlich auf die Füße.
    »Oh, Verzeihung«, sagte er

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