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Bergisch Samba

Bergisch Samba

Titel: Bergisch Samba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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entlangschmiegte, in einer anderen Ecke stand eine rostige Waage. Daneben stand eine Tafel: »Neue Speisekarte. Kein Essen teurer als 5,55 Euro«. Ich drehte den Kopf und bekam den Jungen wieder ins Blickfeld.
    »Also, was ist nun?«
    »Stella und Janine. Die sind immer da. Die können Ihnen vielleicht helfen.«
    »Das klingt doch vielversprechend.«
    Er ging einfach weg, und ich mutmaßte, dass ich ihm folgen sollte. Ich nahm das Bierglas, und er führte mich um die Bar herum in den hinteren Teil der Kneipe. Hier waren die Tische größer, und in einer Ecke befand sich ein Billardtisch.
    Es durchzuckte mich wie ein elektrischer Schlag. Für eine Sekunde blieb mir die Luft weg. Da stand eine Frau mit roten Haaren. Sie hatte mir den Rücken zugewandt. Ich hätte schwören können, dass es Svetlana war. Der Eindruck ging sofort vorüber, doch er war so intensiv, dass er für Schweißperlen auf meiner Stirn sorgte.
    Sie ließ die Kugeln klackern, erhob sich, und im selben Augenblick sah ich sie auf der anderen Seite des Billardtisches noch einmal. Schlank, langes kastanienrotes Haar. Schwindel erfasste mich.     
    Reiß dich zusammen, rief ich mich zur Ordnung. Es sind nur Zwillinge, die hier Billard spielen und entfernt Svetlana ähnlich sehen.
    »Das sind Stella und Janine«, sagte der junge Mann.
    »Und wer bist du?«, fragte das Mädchen, das ich zuerst gesehen hatte und das mir jetzt das Gesicht zuwandte. Ihre Schwester blickte von der anderen Seite ebenfalls herüber. Die Ähnlichkeit war wirklich extrem - zumal sie auch noch die gleichen Klamotten trugen. Dunkler Pullover und Jeans. Und das Schummerlicht gaukelte mir immer noch vor, es seien zwei Svetlanas, die ich da vor mir hatte.
    »Der Typ ist von der Polizei oder so was. Er will euch was fragen.«
    »Das ist ja aufregend«, sagte die eine. »Worum geht's denn?«
    »Können wir erst unser Spiel beenden?«, fragte die andere.
    »Haben wir falsch geparkt?«, wollte die erste wieder wissen.
    »Nur ganz kurz«, sagte ich und räusperte mich. »Waren Sie am 25. April hier?«
    Die erste drehte sich um; sie war wieder dran. Ich habe keine Ahnung von Billard, aber was sie da mit einem einzigen Stoß veranstaltete, wirkte ziemlich gekonnt. Gleich zwei Kugeln verschwanden in den Löchern.
    »Das Datum sagt mir nichts. Dir, Janine?«
    Das Ebenbild schüttelte den Kopf.
    »Es war der Abend, an dem das Kind draußen gefunden wurde. Alle Zeitungen waren voll davon.«
    Stella richtete sich auf und sah mich an. »Das ist natürlich was anderes. Das weiß ich noch. Ja, an dem Abend waren wir hier.«
    »Wie ist das abgelaufen? Ich meine - wer hat das Kind gefunden?«
    Janine kam herüber, sie unterbrachen ihr Spiel und dachten beide angestrengt nach.
    »Wir haben an dem Tag an der Bar gesessen«, sagte sie.
    »Es war schon ziemlich spät«, warf ihre Schwester ein.
    »Genau, es war Werktag. Und wir wollten eigentlich gerade gehen. Plötzlich kam ein Typ rein und war ganz aufgeregt. Er wollte telefonieren. Er hat die Polizei angerufen. Das hat sich ganz schnell in der Kneipe rumgesprochen. Fünf Minuten später sind die Ersten rausgegangen und haben sich das da draußen angeschaut. Dann kam die Polizei mit Blaulicht. Und der Rettungswagen.«
    »Nachher kam auch noch der Leichenwagen«, fügte Stella hinzu.
    »Seid ihr auch nach draußen gegangen?«
    Beide nickten.
    »Und? Habt ihr das Kind gesehen?«
    »Ja. Es lag da - wie ein kleines Bündel«, sagte Stella.
    »Wie eine Puppe.«
    »Aber das haben wir der Polizei alles schon gesagt. Das ist alles in die Akten eingegangen. Wenn ich noch daran denke, was für ein Papierkrieg das war …«
    »Die haben von jedem die Personalien aufgenommen und hinterher einzeln befragt.«
    »Das ist so üblich«, sagte ich.
    Beide Gesichter wirkten verwundert. »Und was soll dann diese Fragerei ein halbes Jahr später?«
    »Es ist nichts dabei herausgekommen. Der Fall wird neu aufgerollt«, sagte ich großspurig. »Die Polizei hat keinen entscheidenden Hinweis. Und jetzt kümmere ich mich darum.«
    Die Verwunderung im Doppelpack blieb.
    »Aber Jan hat eben gesagt, Sie seien Polizist.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Da hat er was falsch verstanden. Ich bin Privatermittler.«
    »Echt? Und wieso kümmert sich nicht die Polizei um den Fall?«
    »Hat er gerade gesagt«, erklärte die andere. Ich wusste längst nicht mehr, welche welche war.
    »Aber es steht doch alles in den Akten«, beharrte die erste.
    »Ich vertraue den Akten nicht«, sagte ich.

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