Bergisch Samba
dem Kind wusste ich bis eben nichts.«
»Und von der Frau?«
Er gab mir das Blatt zurück. »Er hat von ihr erzählt. Sie hieß Maria. Aber gesehen hat sie keiner von uns. Manchmal haben wir Witze darüber gemacht. Wir haben gesagt, er habe die Frau nur erfunden.«
»Wissen Sie, aus welchem Land sie kam?«
»War sie denn nicht von hier?«
»Vermutlich nicht.«
»Sehen Sie, da wissen Sie schon mehr als ich. Hören Sie - ich muss noch ein Dutzend Bodenleisten zurechtschneiden und nachher einbauen.«
»Einen Moment noch. Wissen Sie, wohin er genau ausgewandert ist? Hat er sich mal gemeldet? Gibt es eine Adresse?«
»Eine Adresse habe ich nicht.«
»Hat er nicht über den Ort gesprochen, wo er hinwollte?«
»Nein, darüber hat er nichts gesagt. Anfang des Jahres kam er zu mir und sagte, dass jetzt endlich alles klar sei, dass er die Papiere habe und dass er Deutschland verlassen wolle. Ich habe ihm alles Gute gewünscht, und er ist gegangen. Das war's. Der hat nie viele Worte gemacht, wissen Sie.«
»Wie ist er überhaupt zur Arbeit gekommen?«
»Wir haben einen kleinen Bus, mit dem ich meine Leute zu den Baustellen bringe. Da steht er.«
Ich wandte mich um. Neben dem Schuppen gab es einen Car-port, wo ein kleiner Transporter stand. Er war rot.
»Wie haben Sie sich verabredet, wenn er so unregelmäßig bei Ihnen gearbeitet hat? Er hatte ja sicher kein Telefon.«
»Er ist an eine öffentliche Telefonzelle gegangen und hat sich die Termine aufgeschrieben. Wir haben ihn dann an der Hauptstraße eingesammelt.«
»Gut. Er hat also den Job bei Ihnen gekündigt. Hat er sich danach jemals bei Ihnen gemeldet?«
»Nein.«
»Hat Ratnik Verwandte? Oder Freunde? Gibt es jemanden, der mir mehr über ihn erzählen kann?«
Er schüttelte den Kopf. »Dieser Einzelgänger? Kaum. Er hat so wenig über sich erzählt. Er sprach keine drei Worte am Tag. Das heißt, da gibt es noch was.« »Ja?«
»Als er bei mir angefangen hat…«
»Wann war das?«
»Ach, das ist schon eine Weile her … '97, '98? Ich weiß nicht genau. Es war jedenfalls, als wir uns das erste Mal unterhalten haben, beim Einstellungsgespräch. Da war er gerade auf die Hütte gezogen. Und er hat mir erzählt, dass er gerade eine Scheidung hinter sich habe.«
»Das heißt, es gibt eine Ex-Frau.«
»Genau. Damals wohnte sie in Marienheide, denn da hat er vorher auch gelebt. Wahrscheinlich hat bei dem Rückzug auf die Hütte auch ein bisschen die Enttäuschung über seine Ehe eine Rolle gespielt.«
»Oder seine Frau wollte kein Aussteigerleben führen.«
»Richtig. Im Gegensatz zu dieser Maria.«
»Den Namen der Ex-Frau wissen Sie nicht zufällig?«
»Nein.«
»Auch nicht den Mädchennamen?«
»Nein. Und jetzt muss ich wirklich arbeiten.«
»Noch eine Sekunde. Es wird für Ratnik ja nicht leicht gewesen sein, eine Frau kennen zu lernen - so einsam auf der Hütte. Wie ist er dann an seine Maria gekommen?«
»Das kann ich Ihnen so genau nicht sagen.«
»Wenn nicht genau, dann vielleicht ungefähr?«
»Ich meine, so viele Möglichkeiten hatte er ja nicht.« Zichorius grinste. »Unsereins lernt viele Frauen auf Baustellen kennen.«
Ich nickte. Dieser Möglichkeit musste ich unbedingt nachgehen.
»Was ich bis jetzt herausgefunden habe, ist Folgendes: Diese Maria ist keine Deutsche. Sie stammt wahrscheinlich aus Portugal. Können Sie sich an eine Baustelle erinnern, wo vielleicht ein Portugiese der Bauherr war? Oder wo es eine andere Verbindung zu Portugal gibt? Irgendwann in den letzten Jahren? Vielleicht hat ja auch mal ein Portugiese bei Ihnen gearbeitet.«
Er kratzte sich am Kopf. »Einen portugiesischen Mitarbeiter hatte ich nicht. Das steht schon mal fest. Und was die Baustellen betrifft …«
»Könnte man da in irgendwelchen Unterlagen nachsehen? Ich müsste nur erfahren, auf welcher Baustelle Ratnik beschäftigt war.«
Zichorius seufzte. »Lassen Sie mich jetzt mal arbeiten. Ich sehe heute Abend nach, ob ich was finde, und rufe Sie an. In Ordnung?«
»In Ordnung. Noch eine letzte Frage.« »Ja?«
»Ist es möglich, dass Ratnik gar nicht nach Kanada gegangen ist? Dass er noch in Deutschland lebt?«
»Möglich ist alles«, sagte Zichorius. »Aber warum hätte er mich anlügen sollen?«
»Allerletzte Frage. Hat Ratnik Ihnen gegenüber jemals einen Hakenkreuzwald erwähnt? Oder kennen Sie so etwas hier in der Gegend?«
Zichorius blickte mich verwirrt an. »Wie bitte? Einen was? Hakenkreuzwald? Was meinen Sie denn damit?«
»Ratnik soll
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