Bergisch Samba
Visa rauszukriegen sein.«
»Das werden wir natürlich nachprüfen.«
»Ich möchte aber gerne, dass Sie es mir auch sagen. Das würde nämlich meinen Ermittlungen helfen.«
»Machen wir«, sagte er. »Sozusagen als Belohnungsbonbon.«
Ich musste auf Mölich wirklich Eindruck gemacht haben.
»Und wo wir gerade davon sprechen …«, begann ich wieder.
»Was denn noch?«
»Könnten Sie eine Halteranfrage für mich machen?«
»Was?«
»Da war gestern so ein komischer Typ hinter mir her. Ich hatte das Gefühl, dass der was mit dem Fall zu tun hat.«
Mölich seufzte. »Von mir aus. Das heißt - ich kann es nicht versprechen. Wenn das so weitergeht, dann können gleich Privatleute den Polizeijob erledigen.«
Ich gab ihm das Kennzeichen durch.
»Ich hoffe, dass Sie sich jetzt aus der Sache raushalten«, sagte er dann.
»Warum? Ich werde dafür bezahlt, dass ich mich darum kümmere.«
»Finden Sie nicht, dass den Rest die Polizei erledigen sollte?«
»Mein Auftraggeber interessiert sich für die Hintergründe, Herr Mölich. Und die werde ich Stück für Stück ans Licht bringen. Ob Ihnen das passt oder nicht.«
»Soso. Und? Was werden Sie tun?«
»Ich werde versuchen, ein bisschen was über Ratnik rauszufinden. So ein Aussteigerschicksal - das ist doch hochinteressant. Ich denke, ich spreche mal mit seinem Arbeitgeber. Übrigens - da ist noch was.«
»Was denn nun noch?« Mölich war wieder ungehalten.
Ich erzählte ihm von dem mysteriösen Hakenkreuzwald, und ich erwähnte jetzt auch die angeblich rechte Gesinnung der Broichs. Mölich sollte ruhig wissen, dass ich mir Gedanken machte und dass der Fall vielleicht weiter reichte, als es den Anschein hatte. »Dieser Musikkritiker hat behauptet, Ratnik habe sich für den Wald interessiert. Ob es da einen Zusammenhang gibt?«
»Davon habe ich noch nie was gehört«, sagte Mölich. »Ich kann mir das nicht vorstellen. So lange nach dem Krieg.« Er war genauso ratlos wie ich.
Ich legte auf und trank meinen Kaffee aus. Dann ging ich hinunter ans Auto und holte die Stadtpläne und Atlanten. Es war ein ganzer Stapel; das dickste Buch war der Autoatlas »Bergisches Land und Sauerland«. Oben angekommen, schlug ich die Seite mit Gummersbach und Bergneustadt auf.
Ich durchsuchte Gummersbach und die Umgebung, wanderte mit dem Finger östlich über Bergneustadt nach Olpe, dann nördlich über Meinerzhagen und Marienheide wieder zurück, ich verfolgte die Karten bis nach Engelskirchen und südlich bis Nümbrecht, Reichshof, Freudenberg, Wenden. Dann war ich wieder in Olpe. Es gab sehr, sehr viel Wald im Bergischen Land, und er hatte alle möglichen Formen. Aber nirgendwo fand ich einen, der wie ein Kreuz aussah, geschweige denn wie ein Hakenkreuz.
Eine innere Stimme sagte mir, dass es wohl auch naiv war, so etwas auf einer normalen Karte zu suchen. Wenn es einen solchen Wald wirklich gab, war er wahrscheinlich eher auf einem Privatgrundstück zu finden, und er war sicher nicht in einer offiziellen Karte verzeichnet. Vielleicht war es ja auch gar kein Wald. Vielleicht war es einfach nur eine Baumreihe, die sich irgendeiner in den Garten gepflanzt hatte. Und ein Gerücht, das von Mund zu Mund ging und schließlich zu Ratnik vorgedrungen war, hatte einen ganzen Wald daraus gemacht.
Ich dachte wieder an den Fall dieses selbst ernannten Volksbereinigers aus Overath und an den braunen Opel. Ich stapelte die Karten und Atlanten sorgfältig auf dem Schreibtisch, legte mein Handy, meine Geldbörse und meine Schlüssel hinzu und ging ins Schlafzimmer. Im Schrank gab es ganz unten breite Schubladen. Ich zog eine davon auf.
Unter einer dicken Schicht Unterhosen hatte ich meine Beretta Neunmillimeter versteckt. Ich überprüfte die Munition, schnallte das Holster um und verließ die Wohnung.
Das Flüsschen, das an Wiehl vorbeifließt, heißt Wiehl, und die Frage ob Fluss oder Stadt zuerst diesen Namen gehabt hatte, erinnerte mich an die Sache mit dem Huhn und dem Ei.
Abseits des kleinen Stadtkerns lag ein winziges Häusergrüppchen, das den Ortsteilnamen Bruch trug. Die Straße, die dort hinführte, ging an einer verrosteten Bahnlinie entlang, auf der Unkraut wucherte. Als Bruch in Sicht kam, drängte sich die Straße an den Wald, und kurz darauf öffnete sich auf der linken Seite ein matschiger Platz. Dort stellte ich das Auto ab und ging zu Fuß die enge Straße hinunter, auf der man mitten in die dicht gebaute, etwas bergab gelegene Ansammlung von Häusern gelangte -
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