Bericht vom Leben nach dem Tode
damit abfinden, daß die Erscheinungen aus dem Jenseits tatsächlich in den wallenden weißen Gewändern der Märchenbuchgespenster auftreten. Daß dies jedoch nach wie vor so ist und sich auch die soeben Verstorbenen erst langsam an diese Kleidervorschrift gewöhnen müssen, bestätigte uns schon Raymond Lodge. Hier folgt ein Bericht aus jüngster Zeit, und zwar handelt es sich um einen der äußerst seltenen Fälle von gleichzeitig optischer und akustischer Wahrnehmung Jenseitiger – wenn auch leider keine Kommunikation stattfand. Berichterstatter, Augen- und Ohrenzeuge in einer Person ist der über den Verdacht der Phantasterei erhabene Wissenschaftler Professor Ralph Harlow vom Smith College, Cambridge, Massachusetts.
In einer 1960 veröffentlichten Arbeit verfocht er die These, daß wir durch eine geringfügige Veränderung im Spielraum unseres Schwingungs-Wahrnehmungsvermögens in der Lage sein mußten, in der anderen Welt lebende Personen zu erkennen. Wir seien bereits nahe daran, und in seltenen Augenblicken hätten einzelne Menschen die Chance, sozusagen »den Himmel offen« zu sehen. Er erzählte von einem Erlebnis, das er und seine Frau hatten, als sie an einem Frühlingsmorgen in der Nähe von Ballardville, Massachusetts, spazierengingen.
Aus einiger Entfernung hinter uns hörten wir auf einmal das gedämpfte Gemurmel von Stimmen. Ich sagte zu Marion: »Wir haben Gesellschaft.« Marion nickte und blickte sich um. Wir sahen nichts, aber die Stimmen kamen näher, und zwar in einem schnelleren Tempo, als wir gingen. Es war also anzunehmen, daß die noch unsichtbaren Spaziergänger uns bald überholen würden. Plötzlich merkten wir, daß die Geräusche nicht nur hinter uns, sondern auch über uns waren, und wir blickten hinauf. Ungefähr drei Meter über uns, ein wenig zu unserer Linken, schwebte eine Gruppe strahlender Geschöpfe. Wir standen wie vom Donner gerührt und starrten hinauf. Es waren sechs junge Frauen, die in wallende, weiße Gewänder gekleidet und in ein ernsthaftes Gespräch vertieft waren. Nichts deutete darauf, daß sie uns bemerkt hatten. Ihre Gesichter waren ganz klar zu erkennen. Eine Frau, die ein wenig älter als die übrigen zu sein schien, war von besonderer Schönheit. Sie redete lebhaft auf eine jüngere Erscheinung ein, deren Rücken uns zugekehrt war und die zu der Redenden aufschaute. Weder Marion noch ich konnten verstehen, was sie sagten, obwohl ihre Stimmen deutlich zu hören waren. Sie schienen an uns vorbeizuschweben, und ihre anmutigen Bewegungen schienen ganz natürlich – so sanft und friedlich wie der Morgen selber. Im Vorüberschweben wurde ihre Unterhaltung leiser, bis die Gruppe schließlich ganz verschwunden war. Wir standen noch immer regungslos an der gleichen Stelle. Dann blickten wir einander an, jeder mit dem Gedanken, ob der andere wohl das gleiche gesehen hatte. »Komm«, sagte ich und führte meine Frau zu einer gefällten Birke. Wir setzten uns, und ich sagte: »Was hast du gesehen? Erzähl es mir ganz genau mit allen Einzelheiten. Auch, was du gehört hast.« Sie wußte, worauf ich hinauswollte, daß ich meinen Augen und Ohren nicht traute und daß ich feststellen wollte, ob ich Halluzinationen gehabt hatte. Ihre Antwort stimmte in jeder Hinsicht genau mit dem überein, was meine eigenen Sinne wahrgenommen hatten. »Für Sekunden«, sagte sie ruhig, »muß sich der Schleier zwischen unserer Welt und der der Toten gelüftet haben.«
So wunderbar solche Erscheinungen durch den Äther schwebender schöner Frauen auch sein mögen – sie erinnern uns, die wir davon nur lesen oder hören, unwillkürlich leider an altmodische Kitschpostkartenbilder, und sie sind auch für die Forschung nicht sonderlich aufschlußreich. Für den Psychologen viel interessanter ist ein weniger spektakuläres, ein buchstäblich unscheinbares Phänomen, das relativ häufig vorkommt, lange andauert und äußerst intensiv auftreten kann, obwohl nichts zu sehen und nichts zu hören ist: Ich meine die gefühlsmäßige Anwesenheit Verstorbener. Sie ist in der Literatur aller Zeiten und Völker immer wieder dokumentiert worden – unter anderem von Goethe 43 –, und sie bildet oft die Ausgangssituation für einen späteren akustischen oder psychokinetischen Kontakt mit dem Jenseitigen. So begann es beispielsweise auch mit Betty White. Ihr Mann berichtet:
Betty war für mich in der zufriedenstellendsten Art und Weise »zurückgekommen«. Auch stand ich mit dieser
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