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Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt

Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt

Titel: Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Kempe
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Straßenblockaden dienen sollten. Sie schlugen Nägel und Haken ein, durch die andere, mit einem Paar von den eigens zu Tausenden bestellten Schutzhandschuhen bewaffnet, wiederum den Stacheldraht zogen. 5
    Ulbricht legte ebenso penibel fest, welche Militär- und Polizeieinheit wo und wann zum Einsatz kam. Von 1:30 Uhr morgens an lautete ihre erste Aufgabe, eine Menschenkette rings um Westberlin zu bilden, um jeden spontanen Fluchtversuch oder andere Akte des Widerstands zu verhindern, bis Baubrigaden die ersten Barrieren errichtet hatten. Für diese Aufgabe verwendete Ulbricht nur die zuverlässigsten Einheiten: Grenzpolizei, Reservepolizei, Kadetten der Polizeischule und die sogenannten Betriebskampfgruppen, die an den Arbeitsplätzen organisiert wurden.
    Pläne für jeden kleinen Grenzabschnitt legten genau fest, wie die Leute vorgehen sollten. Zum Beispiel hatte der Chef der Grenzpolizei Erich Peter
vor, exakt 97 Mann am wichtigsten Grenzübergang der Stadt an der Ostberliner Friedrichstraße einzusetzen. Damit wurde an diesem Punkt die geforderte Dichte von einem Mann pro Quadratmeter erreicht. Der Plan schrieb ferner vor, dass weitere 39 Mitarbeiter die erste Straßensperre aus Stacheldraht, Betonsäulen und Spanischen Reitern errichten sollten.
    Reguläre Soldaten der Nationalen Volksarmee (NVA) sollten die zweite Reihe der Verteidigung bilden und würden im Notfall aufrücken, um Lücken in der vordersten Reihe zu schließen. Die mächtige, unbesiegbare sowjetische Armee würde in einem dritten Ring stehen, der nur eingreifen würde, wenn alliierte Kräfte die Operation stören oder die ostdeutschen Einheiten zusammenbrechen sollten.
    Ulbrichts Gefolgsleute planten ebenso akribisch die Ausgabe der Munition und verteilten sie in ausreichender Menge für die Operation, jedoch nicht allzu großzügig, um leichtfertige Schießereien zu vermeiden. An den sensibelsten Grenzpunkten bekamen die Polizeieinheiten zwei Ladestreifen mit fünf Schuss Platzpatronen, mit denen sie als Erstes ihre Karabiner laden sollten. Sie hatten Anweisung, zunächst Warnschüsse abzufeuern, falls Ost- oder Westberliner empört auf sie losgehen sollten. Verfehlten die Platzpatronen ihre Wirkung, hatten die Polizisten weitere drei Ladestreifen mit scharfer Munition in Reserve. Diese sollten sie nur mit der Genehmigung des befehlshabenden Offiziers laden und feuern.
    In der zweiten Verteidigungslinie standen Soldaten der Nationalen Volksarmee mit Maschinenpistolen und begrenzten Mengen scharfer Munition bewaffnet. Um Unfälle zu vermeiden, würden die Soldaten ihre Maschinenpistolen nicht im Voraus laden, sondern die Munition in Tornistern aufbewahren, die am Gürtel befestigt waren. Ulbrichts Sicherheitsgarantie war der Umstand, dass die zuverlässigsten Einheiten von Anfang an voll bewaffnet waren: die 1. Motorisierte Schützendivision (MSD), einige Betriebskampfgruppen und zwei Wachregimenter – Eliteeinheiten, die auf innere Sicherheit spezialisiert waren, ein Regiment kam aus der Armee, und das zweite war der Stasi, dem Ministerium für Staatssicherheit, angegliedert.
    In dem Moment, wo diese Polizei- und Militäreinheiten ihren ersten Befehl um 1 Uhr morgens erhielten, würden in ganz Ostberlin die Straßenlaternen ausgehen. Von da an hatten sie dreißig Minuten, um im Mondlicht mit ihrer Menschenkette die Grenze abzuriegeln. Weitere 180 Minuten Zeit hatten sie, um Sperren quer durch die ganze Stadt zu errichten, darunter die vollständige Schließung von 68 der bestehenden 81 Grenzübergänge nach Westberlin. Damit
blieb der ostdeutschen Polizei am nächsten Morgen die überschaubare Zahl von 13 Grenzübergängen zur Überwachung.
    Genau um 1:30 Uhr würden ostdeutsche Behörden den gesamten öffentlichen Interzonenverkehr stilllegen. Die Passagiere in sämtlichen Zügen aus Westberlin sollten am Bahnhof Friedrichstraße, dem wichtigsten Ost-West-Bahnhof, daran gehindert werden, auszusteigen. An wichtigen Kreuzungen, die nie wieder geöffnet werden sollten, unterbrachen mit Spezialwerkzeugen ausgerüstete Pioniereinheiten die Bahngleise. Wieder andere Einheiten sollten den Stacheldraht ausrollen und aufstellen, während weitere achthundert Transportpolizisten, zusätzlich zur üblichen Belegschaft, die Bahnhöfe besetzen sollten, um Unruhen zu unterbinden. 6
    Wenn alles klappte, war der Auftrag um 6 Uhr morgens erledigt.
    Ulbricht ging den endgültigen Wortlaut für die offizielle Erklärung noch einmal durch, die er in den

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