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Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)

Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)

Titel: Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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Anarchisten und son Gesindel, die keene heile Hose uffn Hintern haben. Mit sowat looft Franz. Und det gefällt dir, Mensch, dafür arbeitest du?« »Ich kann doch Franz nicht sagen: geh dahin und geh dahin; Eva, det kann man doch nich.« »Wennste nich so klein wärst und noch nich zwanzig, sollte man dir eins hinter die Löffel geben. Mit einmal hast du ihm nischt zu sagen. Soll der noch mal unter die Räder kommen?« »Er kommt nicht unter die Räder, Eva. Ich paß auf.« Merkwürdig, die kleine Sonja hat Tränen in den Augen und stützt den Kopf auf, Eva sieht das Mädel an und wird aus ihr nicht klug; liebt die ihn denn so sehr? »Da haste Rotwein, Sonja, mein Oller pichelt immer Rotwein, komm.«
    Sie trichtert der Kleinen ein halbes Glas ein, dabei kullert eine Träne der Kleinen die Backe herunter, und der ihr Gesicht bleibt immer so traurig. »Noch ein Schluckchen, Sonja.« Eva setzt das Glas hin, streichelt Sonja die Backen und denkt, die wird wieder hitzig werden. Aber die stiert immer vor sich, steht auf, stellt sich vor das Fenster und sieht raus. Eva stellt sich neben die Sonja, aus dem Mädel wird kein Schwein klug. »Det mußte dir nich so zu Herzen nehmen mit Franzen, Sonjaken, wat ick gesagt habe, so iss doch nicht gemeint. Du sollst ihn doch bloß nicht mit dem dussligen Willi loofen lassen, Franz ist so ein gutmütiges Schaf, siehste, soll er sich doch lieber um Pums kümmern und wer ihm den Arm abgefahren hat und da wat machen.« »Ich will uffpassen«, sagt leise die kleine Sonja und legt, ohne den Kopf aufzuheben, einen Arm um Eva, und da stehen sie fast fünf Minuten. Eva denkt: der gönn ich den Franz, sonst keiner einzigen.
    Nachher toben sie durch die Zimmer mit den Äffchen, Eva zeigt alles, Sonja bestaunt, was es gibt: die Toiletten Evas, die Möbel, die Betten, die Teppiche. Träumen Sie von der schönen Stunde, in der man Sie zur Pixavonkönigin krönt? Kann man hier roochen? Na ob. Ich bin erstaunt, wie Sie es vermögen, eine solche Qualitätszigarette in solcher Preislage schon Jahre hindurch auf den Markt zu bringen; ich muß Ihnen zu meiner eigenen Freude gestehen. Du, das riecht aber! Der wundervolle Duft der weißen Rose, dezent, wie ihn die kultivierte deutsche Frau fordert, und doch stark genug, die ganze Fülle zu entwickeln. Ach, das Leben der amerikanischen Filmdiva ist in Wirklichkeit ein wesentlich anderes als die Legenden, die sie umgeben, vermuten lassen. Der Kaffee kommt, Sonja singt ein Lied:
    Bei Abrudpanta trieb ihr Wesen Der Banditen wilde Schar, Doch ihr Hauptmann Guito Gut und edeldenkend war. Einst traf er im dunklen Walde Des von Marschan Töchterlein, Bald es durch die Bäume hallte: Ewig, ewig bin ich dein!
    Doch bald waren sie entdecket, Große Jagdgesellschaft naht. Schrecklich aus dem Glück erwecket, Wissen sie nicht Rat noch Tat; Und der Vater flucht der Armen. Auch der Hauptmann wird bedroht. Vater, fleht sie, habt Erbarmen, Mit ihm geh ich in den Tod.
    Bald im finstern Turme schmachtet Guito, o schrecklich Sein! Isabella danach trachtet, Den Geliebten zu befrein. Und es sollte ihr gelingen, Bald war er am sichern Ort; Kaum entgangen seinen Schlingen, Kann verhindern er den Mord.
    Hin zum Schlosse eilt er wieder Mit dem Weib, das er befreit, Doch kniet Isabella nieder, An dem Altar schon, bereit, Hart gezwungen, »Ja« zu sprechen Zu dem ihr verhaßten Bund, Da verkündet das Verbrechen Guito mit bleichem Mund.
    Eine Todesohnmachtstrecket Isabella bleich dahin, Ach, kein Kuß sie mehr erwecket! Und mit stolzem edlen Sinn Hat zum Vater er gesprochen: Ich verschuld nicht ihren Tod, Du hast ihr das Herz gebrochen, Hast gebleicht der Wangen Rot.
    Als der Hauptmann sie sieht wieder Auf der stillen Totenbahr, Neigt aufs Antlitz er sich nieder, Wird noch Leben da gewahr. Schnell trägt er zu aller Schrecken Die Geliebte mit sich fort, Wo sie wieder sollt erwecken, Jetzt ist er ihr Schutz und Hort.
    Doch sie müssen sich jetzt flüchten, Nirgends haben sie mehr Ruh; Hart verfolgt von den Gerichten, Schwören sie sich beide zu: Selbst nun wollen wir uns stellen. Wenn der Giftbecher geleert, Gott wird unser Urteil fällen. Oben werden wir verklärt.
    Sonja und Eva wissen, es ist ein gewöhnliches Lied vom Wochenmarkt, vor einer Bildertafel wird es gedudelt; aber sie müssen beide weinen, wie es aus ist, und können sich nicht gleich ihre Zigaretten wieder anstecken.

Aus mit der Politik, aber das ewige Nichtstun
ist noch viel gefährlicher
    Und Franzeken Biberkopf

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