Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)
schön, wie er alles beleuchtete, mit Ruhe, aber kräftig, bei seiner schwachen Stimme, und der Mann ist ja schwach auf der Brust, und wie alles seine Ordnung hatte und wie dann die Resolution kam, jeder Punkt sauber, eine feine Sache, ein Kopf, und genau bis auf die Toiletten, die ihnen nicht gefallen haben. Ich hatte doch da die Sache mit die Juden, du weißt schon. Mir haben mal, meine Herren, wie ich, wie mir sehr mulmig war, zwei Juden geholfen, mit Geschichtenerzählen. Sie haben zu mir gesprochen, es sind anständige Leute, die mich gar nicht kannten, und dann haben sie mir von einem Polen oder so erzählt, und das war bloß eine Geschichte und war doch auch sehr gut, sehr lehrreich für mich in dieser Situation, in der ich war. Ich dachte: Kognak hätts auch getan. Aber wer weiß. Nachher bin ich wieder frisch auf de Beine gewesen.« Der eine Viehhändler qualmte und grinste: »Da war Ihnen wohl vorher ein besonders dicker Stein ins Genick gefallen?« »Keine Witze, meine Herren. Außerdem Sie haben recht. Es war ein ordentlicher Stein. Kann Ihnen ooch im Leben passieren, daß Ihnen die Klamotten auf den Kopf regnen und Sie weiche Beine kriegen. Kann jedem passieren, son Schlamassel. Was macht man dann mit de weiche Knie nachher. Auf de Straße laufen Sie herum, Brunnenstraße, Rosenthaler Tor, Alex. Kann Sie passieren, daß Sie rumlaufen und können keine Straßenschilder lesen. Mir haben da kluge Leute geholfen, mir gesagt und erzählt, Leute mitm Kopp, und daher wissen Se: man soll nich auf Geld schwören oder auf Kognak oder auf die lumpigen Pfennige Beitrag. Die Hauptsache ist, Kopf haben, und daß man ihn gebraucht, und daß man weiß, was um eenen los ist, daß man nicht gleich umgeschmissen wird. Ist dann alles halb so schlimm. So ist es, meine Herren. Das ist meine Wahrnehmung.«
»Auf die Weise, Herr, also Kollege, trinken wir eins. Auf unsern Verband.« »Auf den Verband, prost die Herren. Prost Gottlieb.« Der lachte und lachte: »Mensch, nu bleibt bloß die Frage, von wo willst du deinen Beitrag bezahlen, nächsten Ersten?« »Und dann sehn Sie auch mal zu, junger Kollege, wo Sie nu einen Mitgliedsschein haben und Mitglied von unserm Verband sind, daß Ihnen der Verband auch zu einem ordentlichen Verdienst verhilft.« Die Viehhändler lachten mit Gottlieb um die Wette. Der eine Viehhändler: »Gehen Sie mal mit dem Schein nach Meiningen, nächste Woche ist Markt. Ich stell mich auf die rechte Seite, Sie drüben links, und ich kuck zu, wie bei Ihnen der Laden geht. Stell dir vor, Albert, er hat den Schein und ist Mitglied vom Verband und steht in seiner Bude. Hier bei mir schreien sie: Weener Würschtchen, echte Meininger Zwackeln, und er brüllt drüben: Winke winke, noch nicht dagewesen, Mitglied vom Verband, die große Sensation vom Zwickmarkt von Meiningen. Da kommen die Leute in Scharen. Jakob, Jakob, was bist du für ein Schafskopp.« Sie schlugen auf den Tisch, Biberkopf mit. Er schob sich vorsichtig das Papier in die Brusttasche: »Wenn einer laufen will, kauft er sich eben n Paar Schuh. Ich habe noch gar nicht gesagt, daß ich dicke Geschäfte machen werde. Aber aufn Kopf gefallen bin ich ja nu auch nicht.« Sie standen auf.
Auf der Straße geriet Meck mit den beiden Viehhändlern in eine heftige Debatte. Die beiden Viehhändler vertraten ihren Standpunkt in einem Rechtsstreit, den einer von ihnen führte. Er hatte mit Vieh in der Mark gehandelt, war aber nur zum Handel für Berlin berechtigt. Ein Konkurrent hatte ihn dann in einem Dorf getroffen und beim Gendarm angezeigt. Aber da hatten die beiden Viehhändler, die zusammen reisten, das Ding fein gedreht: der Beschuldigte erklärt vor Gericht, er ist bloß Begleiter des andern gewesen und hat alles im Auftrag des andern abgemacht.
Die Viehhändler erklärten: »Wir blechen nicht. Wir schwören. Vorm Amtsgericht kommts jetzt zum Schwur. Er schwört, er war bloß mein Begleiter, und das war er schon öfter, und das wird beschworen und damit schrum.«
Da geriet Meck ganz außer sich, hielt die beiden Viehhändler an den Mänteln fest: »Da habt ihrs ja, ihr seid verrückt, ihr gehört ja nach Dummsdorf. Da wert ihr noch schwören in einer so dämlichen Sache, dem Strolch zu Gefallen, damit er euch ganz reinlegen soll. Das muß in die Zeitung gegeben werden, daß das Gericht so was unterstützt, das ist keine Ordnung, die Herren mit dem Monokel. Aber jetzt sprechen wir Recht.«
Der zweite Viehhändler bleibt dabei: »Ich schwöre, na,
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