Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)
zwein. Er weiß die Wege, er kennt den Pfad, er hilft dir weiter mit Rat und Tat; es geht sich besser zu zwein.«
Durst hab ich aber doch noch, denkt zwischendurch Franz beim Lesen, zwei Glas war zu wenig, und das viele Reden trocknet die Kehle aus. Und dann fällt ihm sein Gesang ein, er fühlt sich zu Haus und drückt Lina den Arm.
Sie wittert Morgenluft. Auf dem Wege durch die Alexanderstraße nach der Holzmarktstraße schmiegt sie sich mollig an ihn an: Ob sie sich nicht doch bald richtig verloben?
Ausmaße dieses Franz Biberkopf.
Er kann es mit alten Helden aufnehmen
Dieser Franz Biberkopf, früher Zementarbeiter, dann Möbeltransportör und so weiter, jetzt Zeitungshändler, ist fast zwei Zentner schwer. Er ist stark wie eine Kobraschlange und wieder Mitglied eines Athletenklubs. Er trägt grüne Wickelgamaschen, Nagelschuh und Windjacke. Geld könnt ihr bei ihm nicht viel finden, es kommt laufend bei ihm ein, immer in kleinen Mengen, aber trotzdem sollte einer versuchen, ihm nahezutreten.
Hetzen ihn, von früher her, Ida und so weiter, Gewissensbedenken, Albdrücken, unruhiger Schlaf, Qualen, Erinnyen aus der Zeit unserer Urgroßmütter? Nichts zu machen. Man bedenke die veränderte Situation. Ein Verbrecher, seinerzeit gottverfluchter Mann (woher weißt du, mein Kind?) am Altar, Orestes, hat Klytämnestra totgeschlagen, kaum auszusprechen der Name, immerhin seine Mutter. (An welchem Altar meinen Sie denn? Bei uns können Sie ne Kirche suchen, die nachts auf ist.) Ich sage, veränderte Zeiten. Hoi ho hatz, schreckliche Bestien, Zottelweiber mit Schlangen, ferner Hunde ohne Maulkorb, eine ganze unsympathische Menagerie, die schnappen nach ihm, kommen aber nicht ran, weil er am Altar steht, das ist eine antike Vorstellung, und dann tanzt das ganze Pack verärgert um ihn, Hunde immer mitten mang. Harfenlos, wie es im Liede heißt, der Erinnyentanz, schlingen sich um das Opfer, Wahnsinnsverstörung, Sinnesbetörung, Vorbereitung für die Klapsmühle.
Franz Biberkopf hetzen sie nicht. Sprechen wir es aus, gesegnete Mahlzeit, er trinkt bei Henschke oder woanders, die Binde in der Tasche, eine Molle nach der andern und einen Doornkaat dazwischen, daß ihm das Herz aufgeht. So unterscheidet sich der Möbeltransportör und so weiter, Zeitungshändler Franz Biberkopf aus Berlin NO Ende 1927 von dem berühmten alten Orestes. Wer möchte nicht lieber in wessen Haut stecken.
Franz hat seine Braut erschlagen, Ida, der Nachname tut nichts zur Sache, in der Blüte ihrer Jahre. Dies ist passiert bei einer Auseinandersetzung zwischen Franz und Ida, in der Wohnung ihrer Schwester Minna, wobei zunächst folgende Organe des Weibes leicht beschädigt wurden: die Haut über der Nase am spitzen Teil und in der Mitte, der darunter liegende Knochen mit dem Knorpel, was aber erst im Krankenhaus bemerkt wurde und dann in den Gerichtsakten eine Rolle spielte, ferner die rechte und linke Schulter, die leichte Quetschungen davontrugen mit Blutaustritt. Aber dann wurde die Aussprache lebendig. Der Ausdruck »Hurenbock« und »Nuttenjäger« animierte den ehrempfindlichen, wenn auch stark verlotterten Franz Biberkopf kolossal, der dazu noch aus andern Gründen erregt war. Es bibberte nur so in seinen Muskeln. Er nahm nichts in die Hand als einen kleinen hölzernen Sahnenschläger, denn er trainierte schon damals und hatte sich dabei die Hand gezerrt. Und diesen Sahnenschläger mit der Drahtspirale brachte er in einem enormen zweimaligen Schwung zusammen mit dem Brustkorb Idas, der Partnerin des Gesprächs. Idas Brustkorb war bis zu diesem Tage völlig intakt, die ganze kleine Person, die sehr nett anzublicken war, freilich nicht – vielmehr, nebenbei: der von ihr ernährte Mann vermutete nicht zu Unrecht, daß sie ihm den Laufpaß geben wollte zugunsten eines neu aufgetauchten Breslauers. Jedenfalls war der Brustkorb des niedlichen Mädchens auf die Berührung mit Sahnenschlägern nicht eingerichtet. Schon bei dem ersten Hiebe schrie sie au und sagte nicht mehr dreckiger Strizzi, sondern Mensch. Die zweite Begegnung mit dem Sahnenschläger erfolgte unter feststehender Haltung Franzens nach einer Vierteldrehung rechts seitens Idas. Worauf Ida überhaupt nichts sagte, sondern schnutenartig merkwürdig den Mund aufsperrte und mit beiden Armen hochfuhr.
Was die Sekunde vorher mit dem Brustkorb der Frauensperson geschehen war, hängt zusammen mit den Gesetzen von Starre und Elastizität, und Stoß und Widerstand. Es ist ohne Kenntnis
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