Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)
verschwunden. Lina geht am Nachmittag, den Tag, wo er den Brief bekommen hat, auf seine Stube. Sie will ihm heimlich eine braune Strickweste hinlegen, die sie gemacht hat. Sitzt Ihnen doch der Mann zu Haus, wo er sonst handeln geht, und besonders jetzt um Weihnachten, hockt auf seinem Bett, den Tisch rangezogen, und murkst an seinem Wecker rum, den er auseinandergenommen hat. Sie kriegt erst einen Schreck, daß er da ist und vielleicht die Weste gesehen hat, aber der kuckt kaum zu ihr rüber, kuckt immer bloß auf den Tisch und seine Uhr. Sie findet das ganz gut, kann noch fix die Weste an de Tür verstauen. Dann redet er aber so wenig, wat ist bloß mit dem, der hat einen Kater, und was macht er bloß für ein Gesicht, so kenne ich den gar nicht, und murkst an dem ollen Wecker, das macht er im Tran. »Der Wecker war doch ganz gut, Franz.« »Nee, nee, der war nicht gut, laß man, der schnurrt immer, der schlägt nich richtig an, werd ich schon finden.« Und murkst und läßt wieder liegen und kratzt an seinen Zähnen; sie kuckt er gar nicht an. Da verduftet sie, ihr ist ein bißchen ängstlich, er soll sich mal ausschlafen. Und wie sie abends wiederkommt, ist der Mann weg. Hat bezahlt, hat seine Sachen eingepackt, alles mitgenommen und ist weg. Die Wirtin weiß bloß, er hat bezahlt, und sie soll schreiben auf dem Meldezettel: auf Reisen. Muß sich wohl dünne machen, der, was?
Dann hat es 24 schreckliche Stunden gedauert, bis Lina endlich den Gottlieb Meck findet, der helfen kann. Der Mann war auch verzogen, sie rannte den ganzen Nachmittag von Lokal zu Lokal, schließlich hat sie ihn. Er weiß von nichts, wat wird denn mit Franz sein, der Kerl hat doch Muskeln, und schlau ist er auch, der kann doch auch mal weg sein. Ob er vielleicht was ausgefressen hat? Das ist ganz ausgeschlossen bei Franz. Vielleicht haben sie Krach gehabt, Lina und Franz. Aber gar nicht, wo denn, ich hab ihm ja noch die Weste gebracht. Erst am nächsten Mittag geht Meck auch zu der Wirtin, Lina läßt nicht locker. Ja, Biberkopf ist Hals über Kopf ausgezogen, da war was nicht richtig, der Mann war immer fidel, noch am Morgen, da muß was im Gange sein, das läßt sie sich nicht ausreden; ausgeräumt hat er, nicht ein Fusselken von seine Sachen hat er liegen gelassen, da kommen Sie sehen. Da sagt Meck der Lina, Lina soll man ruhig sein, er wird die Sache schon untersuchen. Er denkt nach, und sofort hat er einen Riecher als alter Händler und geht zu Lüders. Der sitzt auf seinem Bau mit seine Jöhre; und wo Franz ist? Ja, meent der verstockt, der hat ihn sitzen lassen, ist ihm sogar noch was schuldig geblieben, Franz hat vergessen, mit ihm abzurechnen. Das glaubt Meck nun ganz und gar nicht, ihre Unterhaltung zieht sich über eine Stunde hin, aus dem Mann ist nichts rauszukriegen. Abends erwischen sie ihn dann, Meck und Lina, im Lokal bei ihm gegenüber. Und da kommt es zum Klappen.
Lina heult und gibt was an. Er muß doch und muß doch wissen, wo Franz ist, sie waren doch noch am Vormittag zusammen, Franz wird doch was gesagt haben, ein einziges Wort. »Nee, er hat eben nichts gesagt.« »Ihm muß doch was passiert sein.« »Dem was passiert? Der wird den Hasen gemacht haben, was denn.« Nee, der hat nichts ausgefressen, Lina läßt sich da nichts einreden, er hat nichts gemacht, sie legt ihre Hand ins Feuer, man muß auf die Polizei, fragen. »Da meinst du, der hat sich verlaufen, und die sollen ihn ausblasen.« Lüders lacht. Der Jammer der kleinen, dicken Person. »Wat machen wir aber bloß, wat machen wir bloß?« Bis es Meck, der immer bloß dasitzt und sich sein Teil denkt, zu bunt wird und er dem Lüders einen Wink mit dem Kopf gibt. Er will mal mit Lüders allein reden, das hat ja alles keinen Zweck. Darauf kommt auch Lüders raus. Sie gehen in einem scheinheiligen Gespräch die Ramlerstraße rauf bis zur Grenzstraße.
Und da, wo es stockfinster ist, ist Meck ganz unversehens über den kleinen Lüders her. Er hat ihn furchtbar geschlagen. Wie Lüders brüllte und am Boden lag, hat Meck noch sein Taschentuch aus der Jacke geholt und dem vor die Fresse gedrückt. Dann hat er ihn aufstehen lassen und dem Kleinen sein offenes Messer gezeigt. Sie waren beide ohne Puste. Dann hat Meck, der noch nicht bei Besinnung war, dem andern geraten, sich zu verdrücken und morgen Franz zu suchen. »Wie du ihn findest, Kerl, ist mir egal. Findest du ihn nicht, dann treten wir zu dritt an. Dir finden wir schon, Junge. Und wenns bei deiner Ollen
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