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Berlin - ein Heimatbuch

Berlin - ein Heimatbuch

Titel: Berlin - ein Heimatbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Murat Topal
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habe mich in der Hinsicht gestern schlaugemacht, und die beste Methode ist: Sightseeing mit dem Bus.«
    »Das ist aber nicht halb so lustig. Und mit Sicherheit genauso teuer«, nölt unser verzogener Gast.
    »Denkst du!« Triumphierend zaubert die cleverste Ehefrau von allen einen BVG-Plan auf den Frühstückstisch. »Das kostet uns gerade einmal den Preis einer Tageskarte, also 6 Euro und 30 Cent pro Nase. Und wenn wir eine Kleingruppen-Tageskarte für bis zu fünf Personen nehmen, kostet der Spaß jeden gar nur 5 Euro.«
    »Echt?« Als Geburts- und Gesinnungsschwabe ist Karl von der Aussicht auf ein Schnäppchen sofort angefixt und greift gierig nach dem BVG-Plan. »Was gibt es denn da für Möglichkeiten?«
    »Also«, hebt meine Angetraute an und erobert den Plan zurück. »Am besten nimmt man natürlich den Bus.«
    »Stimmt. Der Blick aus dem U-Bahn-Fenster ist etwas eintönig.« Wer redet hier so altklug daher? Dreimal dürfen Sie raten.
    »Genau. Ich hab die Buslinien durchforstet und ideal sind der 100er und der 200er.«
    Karl wirft sich in die Brust. »Es ist ja nicht so, dass ich mich vor der Fahrt nach Berlin nicht schon einmal in diese Materie eingearbeitet hätte.« Schon läuft sein Motor wieder rund. Vielleicht beruhte seine Einsilbigkeit vorhin gar nicht auf dem ungewohnten Frühstücksmenü, sondern auf einer angeborenen Morgenmuffeligkeit!? Dann sollte ich unsere zukünftigen gemeinsamen Aktivitäten unbedingt auf die frühen Vormittagsstunden legen. »Und zwar habe ich gelesen, dass die Berliner Verkehrsbetriebe Eindecker, Doppeldecker und Gelenkbusse einsetzen. Welchen Typ dürfen wir denn auf den beiden von dir genannten Linien erwarten? Davon würde ich meine endgültige Zustimmung zu dem Vorschlag abhängig machen.«
    Was für ein größenwahnsinniger Mops! Als ob es auch nur die geringste Chance gäbe, sich Vorschlägen der diktatorischsten Gattin von allen zu widersetzen. Dennoch spielt sie das Spiel mit.
    »Doppeldecker natürlich. Ist das dem Herrn genehm?«
    »Klar, sofern man einen Platz im Oberdeck bekommt.«
    »Ich denke, wir fahren einfach mit dem Auto zur 100er-Endhaltestelle Memhardstraße. Dort hat man wahrscheinlich eine reelle Chance auf die oberen Plätze ganz vorne.«
    »Gute Idee. Und was bekommt man dann zu sehen?«
    »Alexanderplatz, Unter den Linden, Brandenburger Tor, Reichstag, Kongresshalle, Siegessäule, Schloss Bellevue, das Botschaftsviertel, Europa-Center, Gedächtniskirche und Zoo. Dauert circa ’ne halbe Stunde.«
    »Falls ich auch mal was Angelesenes einwerfen darf: Die 100 war nach dem Mauerfall die erste durchgehende Busverbindung zwischen Ost und West.« Es ist ja nicht so mein Stil, mich in einen lebhaften Dialog einzumischen, aber hier habe ich das deutliche Gefühl, ein Zeichen setzen zu müssen. Es kann ja nicht angehen, dass die beiden Schwabenpfeile so tun, als wären sie die einzigen Menschen im Raum, die je das ABC gelernt haben.
    Karl gelingt es jedoch perfekt, ihn nicht interessierende Einwürfe geflissentlich zu überhören.
    »Gut. Die 100 ist gekauft. Aber eine halbe Stunde ist schnell rum. Was machen wir dann?«
    Auf diesen Einwand hat meine Göttergattin offenkundig nur gewartet. Ihre Antwort kommt wie aus dem Infohäuschen.
    »Dann steigen wir am Bahnhof Zoo in den 200er um und fahren Richtung Prenzlauer Berg. Was uns die Möglichkeit gibt, die nordischen Botschaftsbauten, die Philharmonie und vor allem den Potsdamer Platz zu sehen. Bei dem tollen Wetter steigen wir auch nicht am Alex aus, sondern fahren weiter bis zum Volkspark Friedrichshain. Da können wir uns den hübschen Märchenbrunnen anschauen und anschließend im Café am großen Teich lecker Kuchen essen.«
    »Kuchen essen ist eine prima Idee. Bis dahin habe ich sicher wieder Hunger.«
    Hunger ist das ideale Stichwort für mich, um auf Karl-Holgers nicht anders als unhöflich zu nennenden Frühstücksboykott zu sprechen zu kommen. »Wir könnten ja für die Fahrt ein paar von den Buletten und Soleiern einpacken. Ist ja noch verdammt viel übrig geblieben.«
    Als hätte sich genau in diesem Moment ein glibberiges Solei in seine Hose verirrt, beginnt Karl sich wie auf Kommando auf seinem Stuhl hin und her zu winden. »Uh-oh, ich glaube, im Berliner Nahverkehr ist das Verzehren von Speisen verboten.« Na gut, geschickt gekontert. Wo er recht hat, hat er recht. Also wechsele ich dezent das Thema.
    »Apropos Busfahren: Während der Luftblockade wurde der Berliner Nahverkehr fast nur mit

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