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Berlin - ein Heimatbuch

Berlin - ein Heimatbuch

Titel: Berlin - ein Heimatbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Murat Topal
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Der Verein bietet für Interessierte außerdem regelmäßige Führungen durch die geheimnisumwitterte und lange Zeit in Vergessenheit geratene Bunker- und Verkehrswelt des Berliner Untergrunds an.
    Weitere Infos findet man unter: www.berliner-unterwelten.de

Der Glöckner am Kurfürstendamm
    Leider scheitert der aus meiner Sicht so vielversprechende Karrieresprung am vereinten Widerstand von Karl-Holger und der Gruselkabinett-Chefin. Während der von mir wärmstens angepriesene Moppel-Geist mit dem schmalen Monatssalär von 1.000 Euro brutto, welches er selbst als Sonderschullehrer locker überbieten konnte, nicht zufrieden ist, stören die Gruselmeisterin vor allem Brille und mangelnde Wendigkeit des korpulenten unfreiwilligen Bewerbers. Wie sie nicht müde wird zu betonen, sollten professionelle Gespenster Luchsaugen haben, flink und nicht zu groß sein sowie einen ausgeprägten Spieltrieb besitzen. Trotz heftiger Widerrede, in der ich ein ums andere Mal Karls zahlreiche furchterregenden Eigenschaften hervorhebe, muss ich am Ende zugeben, dass mein Begleiter das Anforderungsprofil nicht wirklich erfüllt.
    Nachdem dieser Versuch einer Problemlösung also sang- und klanglos in die Binsen gegangen ist, sehe ich mich weiterhin mit der Frage konfrontiert, wie ich Karl auf diplomatischem Weg von seinem Kreativwahn abbringen soll. Erstmals in meinem Leben tut es mir fast leid, dass ich keinen Alkohol trinke. So ein kräftiges Besäufnis unter Männern soll ja angeblich helfen, die Fronten zu klären. Zumindest würde ich mich bei 1,5 Promille im Blut eventuell leichter tun, den Do-it-yourself-Loriot von seinen abstrusen Autorenambitionen abzubringen.
    Nüchtern ist das alles erheblich schwerer. Auch der unerwartet interessante und unterhaltsame Besuch im Gruselkabinett hat mir keinen Geistesblitz beschert. Wie in einem Hamsterrad treten meine Gedanken ständig auf der Stelle, ohne einen Ausweg zu finden. Geistig gelähmt bin ich den Wortkaskaden und Planungen meines Gastes hilflos ausgeliefert. So sitze ich am frühen Abend, nachdem der strömende Regen entgegen der Wetterprognose nachmittags wieder von der Sonne abgelöst wurde, zu meiner eigenen Überraschung im sehr schönen und großzügigen Sommergarten des Quasimodo-Cafés und versuche vergeblich zu rekonstruieren, wie wir eigentlich hierher gekommen sind.
    Musikfans muss ich sicher nicht erklären, dass das Quasimodo nichts mit dem namensgleichen Glöckner von Notre Dame zu tun hat, sondern eine echte Berliner Kulturinstitution ist. Den anderen sei gesagt, dass es sich um einen der renommiertesten europäischen Liveclubs handelt, vergleichbar mit dem Londoner »Jazz Cafe« oder dem »New Morning« in Paris. Im Übrigen ist das gesamte in unmittelbarer Nähe des ehemaligen Berliner Fernbahnhofs Zoologischer Garten und des Kurfürstendamms gelegene Karree ein beeindruckender Kulturstandort, der einstmals das Zentrum Westberlins repräsentierte. Denn in unmittelbarer Nachbarschaft des »Quasimodo« findet man nicht nur das weltbekannte »Theater des Westens«, sondern auch die traditionsreiche Vaganten Bühne mit ihren spannenden Inszenierungen zeitgenössischer Dramen und insbesondere den historischen Delphi Filmpalast. Dieser ist nicht nur eines der nicht mehr allzu zahlreichen Kinos, in denen klassische 70-Millimeter-Filme gezeigt werden können, sondern auch ein Filmtempel mit echt nostalgischem Flair. Ende der 20er-Jahre des vorigen Jahrhunderts als Tanzpalast konzipiert und unter dem Namen Delphi-Palais eröffnet, bietet es heute etwa 700 Besuchern Platz und als Uraufführungsstätte von Arthouse-Filmen ein selten gewordenes klassisches Kinoerlebnis.

    Als hätten die übernatürlichen Exponate des Gruselkabinetts Karl inspiriert, sich als Gedankenleser zu versuchen, verkündet er unvermittelt: »Das Delphi-Palais galt Ende der 20er nicht nur als der Berliner Tanztempel, sondern vor allem als das Mekka der Swing-Kids.«
    »Weißt du, Karl, Mekka und Swing-Kids scheinen mir zwei etwas schwer miteinander zu vereinbarende Begriffe zu sein.«
    Ein, wie ich finde, recht scharfsinniger Einwurf, der aber den Schwafelhans an meiner Seite keineswegs zum Innehalten animiert. Ohne mich auch nur eines Seitenblickes zu würdigen, fährt er in unvermindertem Tempo fort. »Die Swing-Kids oder Swing-Jugend, wie sie offiziell meist genannt wurde, war eine im Groß- und Bildungsbürgertum angesiedelte oppositionelle Jugendbewegung, die sich über den Spaß am amerikanischen

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