Berlin - ein Heimatbuch
Power-Riegel dehnt und betont, lässt mich Böses ahnen. Zu Recht.
»Darf man mal fragen, wozu du beim Ölwechsel Power-Riegel brauchst?«, nimmt sie mich ins Kreuzverhör.
Ich sacke innerlich zusammen; wer so eine Frau hat, braucht keinen Lügendetektor.
»Ich ... äh ... okay, also ich wollte mal wieder was nur für mich tun.« Angezählt.
»Für dich? Müsstest du nicht eher was für dein neues Programm tun?«
Knock-down.
»Ja, klar. Aber um kreativ sein zu können, muss ich erst einmal körperlich richtig in Form kommen. Und da dachte ich, ich schaue mal im Sportstudio vorbei ...«
Karl, der jetzt endlich seine Erdnuss-Schrippe atomisiert hat, verzieht den Mund zu einem spöttischen Grinsen.
»Du gehst zum Sport? Das ist ja witzig. Du ahnst nicht, was ich dir heute vorschlagen wollte.«
Nee, ahne ich nicht. Ich weiß auch nicht, was an Sport so witzig sein soll. Außer man ist eben wie er Bewegungsabstinenzler.
»Also bitte: Was wolltest du mir vorschlagen?«, frage ich resignierend.
»Wir gehen ins Hallenbad«, sagt er und grient stupide weiter.
Meine Frau, sonst nur schwer zu amüsieren, fängt nun auch noch an zu kichern. Beide zwinkern sich zu – und prusten los, dass die Krümel fliegen. Irre komisch.
»Darf ich fragen, was an dem Wort Hallenbad so lustig ist? Und was will einer wie du da überhaupt?«, frage ich Dickie-Karlchen. »Einen Rekord im Warmduschen aufstellen?«
»Murat!« Abrupt stoppt meine Göttergattin ihr Gekichere und schaut mich strafend an.
Es hat keinen Zweck. Ich bin ein Fremder im eigenen Haus. Nichts wie weg hier.
»Ich lass euch mal allein. Dann ist es vielleicht noch lustiger. Ciao.«
Ich angele meine Tasche aus dem Flur und eile zur Haustür.
»Tschüss, Schatz. Und viel Spaß bei deinem Ölwechsel.«
Gelächter.
Offenbar haben die beiden Schwaben einen Clown gefrühstückt.
Ausgepowert vom Hantelsport kann ich Karl wieder etwas entspannter gegenübertreten. Zu meinem Erstaunen hat er heute seinen Vorschlag der gemeinsamen Programmarbeit nicht wiederholt. Ob ihm die Schnapsidee vielleicht von der weisesten Ehefrau von allen ausgeredet wurde? Nun, mir soll es nur recht sein. Schlimm genug, dass ich am frühen Abend mit ihm in der U2 Richtung Pankow fahren muss. Natürlich musste der Umstandskrämer unbedingt ein Hallenbad am anderen Ende unserer Megacity aussuchen. Keine Ahnung, warum es ausgerechnet dieses überdachte Plumpsfass sein muss. Ich kann mit Hallenbädern nix anfangen. In Seen oder Flüssen schwimmen: großartig. Aber in einer überheizten Halle in chlorverseuchtes Wasser zu springen, ist nicht so meine Welt.
Aber ich werde mir gegenüber dem kleinen Spießer an meiner Seite keine Blöße geben. Und wenn ich zur Entspannung dreimal täglich in die Muckibude muss. Kann meinem noch hervorzulockenden Sixpack ja nur guttun.
An der Eberswalder Straße nötigt mich Karl aus der U-Bahn heraus. Kurz schaut er mit seinen Froschaugen auf den Plan und stapft dann zielsicher voran, als könnte er das Chlor schon riechen. In der Oderberger Straße bleibt er vor einem imposanten Gebäude stehen.
»Das isses. Toll, oder? Das ist Neo-Renaissance-Stil, erbaut von Ludwig Hoffmann, seines Zeichens Architekt und Baustadtrat von Berlin ...«
»Ja, schön, ’n mächtiger Klotz. Aber wo ist das verdammte Hallenbad?«
Ich schaue die Straße auf und ab. Nirgendwo ein Gebäude, das auch nur einen Hauch nach Schwimmhalle aussieht.
»Gebaut wurde dieses Schmuckstück in den Jahren 1899 bis 1902 ...«
» Allet schön und jut, jroßer Meesta . Aber jetzt ist mal Schluss mit der Schwafelei. Lass uns was tun und das Planschbecken finden.«
Wär ja noch schöner, wenn der Klopsburger sich kurz vor dem ersten Köpper drückt und einen auf Wasserallergiker macht.
»Das hier ist das Hallenbad.«
»Wie bitte? Diese abgeblätterte Protzbude?« Ich bin fassungslos.
»Du hast es erfasst: Das ist das Stadtbad Prenzlauer Berg.«
»Das ist nicht dein Ernst. Sieht aus wie das Angeber-Rathaus einer unter Minderwertigkeitskomplexen leidenden Dorfgemeinde. Und in den Bau passt doch allerhöchstens ein 25-Meter-Becken rein. Für so einen Seniorentümpel schleppst du mich einmal quer durch die City?«
Karl funkelt mich belustigt durch seine dicken Brillengläser an.
»Wart’s ab und folge mir unauffällig.«
Langsam wird mir klar: Hier stimmt was nicht. Karl ist irgendwie »overdressed«, insbesondere im Vergleich zu meinem legeren »Dresscode Neukölln«: Jogginghose,
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