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Berlin - ein Heimatbuch

Berlin - ein Heimatbuch

Titel: Berlin - ein Heimatbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Murat Topal
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Schlechtes Timing, das ich beim nächsten Ehestreit garantiert mit Zins und Zinseszins heimgezahlt bekomme. In der Tat ist ihre Laune schon jetzt nicht die beste.
    »Wie sieht’s mit deinen alten Motorradzeitschriften aus, Murat? Die müssen auch mal weg.«
    »Weiß gar nicht, wo die sind«, antworte ich, den Planlosen mimend.
    Ihr vernichtender Blick überzeugt mich, dass Widerstand an dieser Stelle nicht ratsam ist. Und wenn ich ehrlich bin, stauben die Dinger eh nur vor sich hin.
    Noch gut eine Stunde wird wild zusammengeräumt und entrümpelt. Dann kommen alle Kisten in einen Anhänger, den die bestorganisierte aller Ehefrauen eigens zu diesem Zweck angemietet hat. Als die ganze Ladung verstaut und die Plane verzurrt ist, stellt sich die Frage: Wo ist Karl? Seit dem Pokratzen ward er nicht mehr gesehen.
    Nach kurzer Suche finde ich ihn in der Küche. Auf der Arbeitsplatte vor ihm thront in voller Pracht seine Kaffeemaschine des Westens. Damit ist das Gerät als Hochzeitsgeschenk natürlich erledigt. Mist, muss ich also doch wieder auf die Suche gehen. Die Zeit wird reichlich knapp ... Karl hat andere Probleme. Er studiert kopfschüttelnd die Bedienungsanleitung, drückt allerlei Knöpfe und lässt das Monster Probe laufen. Oder versucht es zumindest. Das Ding tut keinen Mucks.
    »Kannst du deinen Koffeinboliden vielleicht später testen, Karl-Holger? Wir sollten spätestens in fünf Minuten vom Hof rollen, sonst wird das nichts mehr mit einem eigenen Stand. Und dann macht uns Ann-Marie das Leben zur Hölle.«
    Die Drohung wirkt. Zackig schaltet der Mann die Weltraumapparatur aus und folgt mir zur Garage.

    Am Mauerpark herrscht bereits ziemlicher Andrang. Aber wir haben Glück: Der zuständige Markt-Manager begutachtet unsere Ware wohlwollend und teilt uns einen Stand in aussichtsreicher Lage zu. Dann kann ja nichts mehr schiefgehen. Keine 20 Minuten später haben wir unseren Krempel ansprechend dekoriert. Ann-Marie hat sogar an Preisschilder gedacht.
    »Sag mal, Murat, wo ist denn deine alte Motorradkluft?«
    »Öh, war die nicht in der Klamottenkiste? Ich war mir sicher, ich hätte sie eingepackt.«
    Die unbarmherzigste Ehefrau von allen fixiert mich mit diesem Blick, der jeden Erklärungsversuch noch vor der Entstehung zu Staub zermalmt.«
    »Ist ja sicher nicht unser letzter Flohmarkt«, droht sie kühl.
    Aber auch nicht das letzte Mal, dass ich meine Kluft vergessen werde, denke ich still bei mir. Meine alte Motorradmontur verkaufen. So weit kommt’s noch. Was da für tolle Erinnerungen dran hängen. Wenn ich allein schon an unseren irren Trip zu den World Police & Fire Games in Stockholm denke ...
    Die Stände ringsherum sind mittlerweile gut gefüllt. Neben den üblichen Profidealern mit Billigklamotten und den mehr oder weniger originellen Schmuckdesignern gibt es erfreulich viele Amateure wie uns, die einfach nur taugliche Gebrauchsgegenstände versilbern möchten.
    Auch die ersten Kunden schieben sich mit Kennerblick durch die Reihen: die Stunde der Jäger. Wer einen echten Treffer landen will, ist vor dem großen Andrang unterwegs. Und der erfahrene Schnäppchen-Greifer weiß erstaunlich präzise, was er sucht und was es maximal wert ist.

    Während ich mir noch so meine Gedanken mache, begutachtet eine Frau in einem Hauch von Sommerkleid unsere alte schwäbische Spätzlepresse (keine Sorge, wir haben noch zwei andere zu Hause). Nach eingehender Untersuchung stellt sie das Teil wieder weg, macht ein betont uninteressiertes Gesicht und stöbert erst einmal ziellos im Rest unseres Angebots.
    Der erfahrenen Trödelverhökerin an meiner Seite ist ihr auffällig unauffälliges Verhalten natürlich nicht entgangen. »Die Presse hat locker 80 Jahre auf dem Buckel: alter Familienbesitz. Und funktioniert noch tadellos«, wirft meine Frau den Köder aus.
    Ertappt lächelt die Schnäppchenelse, nimmt das Schmuckstück erneut in die Hand und prüft es ein zweites Mal. Jetzt sitzt sie in der Falle. Und ich hege keinerlei Zweifel, dass die mir angetraute Jägerin ihre Beute schon bald erlegen wird.
    Um sie ungestört agieren zu lassen und gleichzeitig meinen Minuspunkt mit der Motorradkluft auszuradieren, flöte ich meine Herzensgattin von der Seite an »Soll ich dir einen Milchkaffee besorgen, mein Goldstück?«
    Sie lächelt, ohne den Blick von ihrem Zielobjekt zu nehmen. »Das wäre herzallerliebst.«
    Ich mache mich auf den Weg. Der Markt füllt sich zusehends und ich kämpfe mich nur langsam zum Marktcafé

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