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Berlin - ein Heimatbuch

Berlin - ein Heimatbuch

Titel: Berlin - ein Heimatbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Murat Topal
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durch. Es herrscht eine auffallend betriebsame Atmosphäre. Dies hier ist keiner von den Märkten, auf dem die Hälfte der Leute nur durch die Gänge schiebt und Zeit totschlagen will. Hier wird begutachtet, gefeilscht und mitgenommen.
    Nachdem ich mit etwas Geduld zwei große Coffee to go ergattert habe, mache ich mich auf den Rückweg durch die minütlich dichter werdende Masse. An einem Comicstand bleibe ich kleben. Ich stelle die beiden Pappbecher ab und beginne fieberhaft zu wühlen. Und schon wieder habe ich unfassbares Glück: »Didi & Stulle« Band 8, »Ein Toter kommt selten allein zum Dessert«. Ein Kleinod, das ich vor Jahren verliehen und nie wieder gesehen habe. Wer weiß, ob dies nicht sogar mein Heft von damals ist. Die punkig gestylte junge Dame hinter dem Wühltisch taxiert mich bereits aufmerksam. Ich lupfe den Comic aus der Kiste und mustere ihn abschätzig. »Was willst’n dafür haben?«, frage ich, demonstrativ gelangweilt.
    »Preis steht hintendrin«, antwortet sie spröde. Moment mal, sind wir hier auf einem Markt oder einer Beerdigung? Tut mir leid, aber wer auf einem Markt nicht handelt, der ist in meinen Augen klinisch tot. Davon abgesehen ist der auf der letzten Seite notierte Preis eine Frechheit. »Ich zahle dir ein Drittel«, sage ich in bewusst herablassendem Tonfall und fingere meine Geldbörse heraus. Und stelle mir schadenfroh vor, wie die mundfaule Verkaufsschnepfe die bekannte Fußballerantwort gibt: »Ein Drittel ist zu wenig, ich will mindestens ein Viertel.« Weil ich dabei lachen muss, stoße ich prompt mit dem Ellbogen an einen der Kaffeebecher. Der macht den Abflug und zerschellt zwischen den Beinen der Umstehenden.
    » Wenn du dit nich zahlen willst, denn lasset «, sagt die Punkgöre ungerührt. Wie bitte? Will diese Rotznase jetzt etwa einem gestandenen Osmanen zeigen, wie man richtig handelt? Die wird gleich sehen, wo im Basar der Teppich fliegt. Wortreich mache ich die minderwertige Ware zur Schnecke. Was für eine todlangweilige und völlig krude Geschichte das wäre, schlecht und geschmacklos gezeichnet, kaufe ich nur aus Mitleid mit meinem Neffen, der querschnittsgelähmt in einem Rollstuhl ohne Räder sitzt, und dessen letzte und einzige Freude im Leben Comics wie dieser bleiben, obwohl die nicht mal das Papier wert sind, auf dem sie einst gedruckt wurden, wobei dies mit Sicherheit der mieseste Band ist, den ich je gesehen habe. Und wer dieser ominöse Herr »Fil« denn überhaupt sei. Undsoweiterundohneende. Die umstehende Kundschaft, anscheinend allesamt überzeugte »Didi & Stulle«-Fans, rottet sich schon langsam mordlustig zusammen.
    Offenbar um mich endlich loszuwerden, nuschelt die zungengepiercte Lady nach fast zehnminütiger Dauerberieselung: »Na gut, ich geb dir das Ding zehn Cent billiger. Wegen deinem Neffen.« Immerhin. Zehn Cent! Ist auch Geld. Ich habe zwar schon erfolgreicher verhandelt, aber weitere Schmähungen des Heftes könnten angesichts der aggressiv blickenden Restkunden unangenehme Folgen für mich haben. Darum zahle ich lieber und trolle mich meines Weges.
    Als ich mit dem inzwischen kalten Coffee to spei an unseren Stand zurückkomme, hat die Spätzlepresse erwartungsgemäß die Eigentümerin gewechselt. Trotzdem habe ich meine graziöse Gattin schon mit besserer Laune erlebt.
    »Ah, der Herr Gemahl. Lange nicht gesehen. Wo war er denn? Ach, ich sehe schon, der Herr möchte uns in den Ruin stürzen. Während ich mir hier die Füße platt stehe, um seine alten Comics zu verhökern, treibt er sich herum und kauft neue Hochliteratur ein. Mit Sicherheit zu Mondpreisen.« Die aufgebrachteste Ehefrau von allen hat den Kaffee bereits auf, das spüre ich deutlich.
    Zum Glück taucht in diesem Moment Karl als Retter in der Not auf und lenkt unsere Aufmerksamkeit auf die ungeheuren Errungenschaften seines privaten Beutezuges.
    »Hier, das ist ein Originalstück der Berliner Mauer, so was kriegst du eigentlich gar nicht mehr.« Er hält mir ein winziges Beton-Bruchstück unter die Nase. »Und das hier«, sagt er vor Stolz nahezu berstend, während er eine völlig vergammelte Fantasieuniform-Kappe aus der Tüte zieht, »das ist eine echte DDR-Grenzermütze, die war bis 1989 an der Mauer im Einsatz.«
    Wie immer, wenn der Ausnahmepädagoge sich in seiner eingebildeten Cleverness suhlt, muss ich mir mühsam das Lachen verkneifen. »Wahnsinn, Karl-Holger, du bist wirklich ein Fuchs. Was mich wundert: Hat man dir keinen Original-Trabi

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