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Berlin Fidschitown (German Edition)

Berlin Fidschitown (German Edition)

Titel: Berlin Fidschitown (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D B Blettenberg
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Zeit verlieren.“
    Heli nickte. „Romy wartet schon auf uns.“ Sie übernahm die Führung.
    Zwischen den zusammengeschaufelten Schneebergen vor dem Hotel und im unberührten Neuschnee auf dem Blochplatz stapfte Tony wiederholt kräftig auf, um seine Thermogummistiefel zu testen und schnaubte und grunzte wie ein Walross. Quinn schloss nicht mehr aus, dass Tony sich vor lauter Überschwang jeden Moment im Schnee wälzte. Doch dann erreichten sie den Eingang zum Zivilschutzbunker, und die nüchterne Sachlichkeit des Betons dämpfte Tonys Enthusiasmus und förderte Quinns Konzentration auf die Aufgabe.
    Im Kartenraum, den sie nach Rücksprache mit Heli und Georgia Brand als vorläufige Einsatzzentrale auserkoren hatte, wartete Romy mit drei Thermoskannen Kaffee. Die folgende halbe Stunde informierten die Frauen über die Lage. Romy konzentrierte sich auf die humane, Heli auf die bauliche Unterwelt. Farangs Erkenntnisse und Vermutungen flossen ein, so weit sie bekannt waren. Quinn zwang sich zur Ruhe, obwohl er liebend gerne sofort ins Tunnelsystem eingestiegen wäre, um Witterung aufzunehmen. Stattdessen hörte er aufmerksam zu, stellte gelegentlich eine Frage und bemerkte zufrieden, dass Tony sich auffallend zurückhielt. Nicht aus Disziplin. Die kalte Bunkeratmosphäre drückte dem Großen mit dem Schnauzbart aufs Gemüt und machte ihn stumm.
    Auf der Einkaufstour hatte Tony noch locker über die Tunnel von Cu Chi referiert, als sei er selber dabei gewesen. „Meine Tunnelratte“ oder „unsere Tunnelratte“ ging ihm locker über die Zunge. Er führte sich auf wie ein Coach, ohne den sein bester Boxer es nicht zur Meisterschaft gebracht hätte. Nichts was Tony in all den Jahren aufgeschnappt hatte, blieb unerwähnt, um die beiden Frauen angemessen zu beeindrucken. Das Tunnelsystem reichte bis zwanzig Meilen an Saigon heran. Es war vom Vietcong perfekt ausgebaut. Ein unübersichtliches Netzwerk von Gängen von nahezu zweihundert Meilen, das sich von der kambodschanischen Grenze bis nach Saigon zog, vom Ho Chi Minh-Pfad bis zur Hauptstadt. Da unten gab es Kommandoposten, Munitionsfabriken, Feldlazarette, Druckereien, Flaggenschneidereien und sogar Unterhaltungstheater für die Truppe. Alles absolut unterirdisch und schön versteckt. Ihr müsst euch das so vorstellen, hatte Tony schwadroniert: Die heldenhafte US-Armee agiert bei hellem Tageslicht über der Erde mit der größten Feuerkraft der Welt. Aber nachts arbeitet Charlie alias Fidschi im Untergrund, bis zu vier Stockwerke tief. Ohne diese Tunnel wäre die Tet-Offensive nicht möglich gewesen. Eure Fidschis haben Regionen kontrolliert, die nur eine halbe Autostunde von der Kommandozentrale der Amerikaner entfernt lagen, sind seelenruhig unter Bobby und den Seinen herummarschiert.
    Und wann sie das alles gebaut haben? Damit haben schon die Vietminh angefangen, gegen die Franzosen, in den Vierziger- und Fünfzigerjahren. Alles mit der Hand und einfachsten Werkzeugen in den trockenen Lateritboden gegraben. Tag und Nacht wurde gebuddelt. Es gab getarnte Falltüren, Zickzackpassagen in Winkelvarianten von sechzig und einhundertzwanzig Grad, und in regelmäßigen Abständen Wasserverschlüsse. Damit konnten sie ganze Abschnitte versiegeln. Bobby und seine Jungs pumpten Tränengas in die Löcher oder hauten Napalm rein, aber es erwischte meist nur eine abgeriegelte Region. Jeder Abschnitt hatte sein eigenes Entlüftungssystem. Die haben den Dampf aus ihren Feldküchen so umgeleitet, dass die Artillerie der Amerikaner immer an den falschen Stellen einschlug. Und selbst mit Bomben bissen sie sich am Laterit, der so trocken und hart wie ein Ziegelstein war, die Zähne aus. Die Tunnel waren so gut wie unzerstörbar. Es sei denn, ein direkter B-52-Abwurf traf genau auf den Punkt. Das System war nur von innen zu knacken. Und dafür hatten sie Leute wie unsere Tunnelratte!
    Der Stolz der US-Army!
    Es gab nicht mehr als hundert in den vier Jahren, in denen die Truppe bestand. Die wurde erst Anfang sechsundsechzig gegründet. Alles Freiwillige. Alle klein und mutig, wie unser Bobby. Nur mit Faustfeuerwaffen, Handgranaten, Messer und Taschenlampen ausgerüstet, und vor allem mit Instinkt, mit sehr viel Instinkt. Die Fallen konnte man nur ahnen. Charlie war keiner, mit dem man es erst mal probieren konnte. Das war der Tod. Charlie erwischte man zuerst – oder Ende der Durchsage.
    So viel zu den Tunnelratten, einer feinen Sammlung von Einzelgängern und Schweigern. Tony hatte

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