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Berlin Fidschitown (German Edition)

Berlin Fidschitown (German Edition)

Titel: Berlin Fidschitown (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D B Blettenberg
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unter ihren Augen ...“
    „Die Dose haben wir noch.“
    Resigniert ließ er die Kurbel los.
    Die Rothaarige zog ihre Winterhandschuhe aus und betastete alle drei Vögel mit zärtlicher Hingabe. Es machte ihr sichtlich gute Laune. Sie zupfte an Schnäbeln und Flügeln und stieß dabei leise Laute aus. Dann hellte sich ihre Miene auf. „Den da!“ Sie hielt den kleinen Kerl mit dem gelben Streifen am Kopf kurz hoch, wartete nicht lange auf Zustimmung und verstaute ihn vorsichtig in ihrem Rucksack.
    Der Verkäufer versuchte es mit einem Scherz. „Sieht aus, als ob er eine Skibrille trägt.“
    „Das ist ein Gelbaugen-Pinguin“, stellte die Rothaarige klar.
    „Sie kennen sich aus.“
    „Das ist richtig.“
    „Wie gesagt, es ist mir wirklich peinlich ...“
    Die junge Frau lächelte. „Schon vergessen.“ Das Lächeln ging in ein freundliches Grinsen über. „Wir versuchen es Ostern nochmal.“

15
    Als Heliane Kopter mit ihrem Pinguin den Laden verließ, nahm sie die nächste Rolltreppe.
    Das Einkaufszentrum war vor den Weihnachtsfeiertagen völlig überfüllt. Behände schlängelte sie sich bis zum Ausgang. Auf den wenigen Metern zur U-Bahnstation schnitt ihr der Wind ins Gesicht. Sie nahm es gelassen. Seit sie diese norwegische Gesichtsschutzcreme benutzte, hatte der Winter keine Chance. Eine angemessene Vorbereitung war alles.
    Bevor sie im Schacht verschwand, warf sie noch einen Blick hinüber zur Humboldtshöhe. In der Dunkelheit war der Hügel nur noch als Kontur wahrnehmbar. Trotzdem zog er sie magisch an. Die Reste des ehemaligen Flak-Bunkers waren zum größten Teil zugeschüttet und bepflanzt. Aber was nutzte die Tarnung schon. Sie kannte sich mit Bunkern aus. Bei Tageslicht hatte man stets den Eindruck, die Brücke eines torpedierten Schlachtschiffes rage zwischen den Bäumen in den Himmel über Gesundbrunnen.
    Während der Zug der U-Bahnlinie 8 Richtung Neukölln schoss, gedachte Heliane Kopter – wie immer auf dieser Strecke – der Frau, die hier unten ihr Leben verloren hatte und die sie nicht vergessen konnte.
    An der Station Leinestraße stieg sie aus. Vor der mit Graffiti beschmierten Mauer des St.-Thomas-Kirchhofs lungerten zwei dick vermummte Araber mit Kampfhunden herum. Die Tiere zitterten vor Kälte. Männer und Pitbulls beobachteten gelangweilt eine Horde Jugendlicher, die ein Fahrrad demolierte. Die Kids warfen den Drahtesel mit lautem Gejohle gegen die rotbraunen Ziegelsteine. Dann trampelten sie auf Rahmen und Reifen herum, bis die Speichen aus den Felgen sprangen. Ein Schlauch platzte. Einer der Hunde zerrte erschrocken an der Leine. Es brachte ihm eine Tracht Prügel ein. Heliane unterdrückte ihre Wut. Sie packte die Tragriemen ihres Rucksacks fester und ging eilig weiter. Wenn der Winter weiter so extrem blieb, standen die Chancen des Pitbulls schlecht. Wer fror und Angst hatte, wurde abserviert und ersetzt. Wahrscheinlich durch einen Husky. Schlittenhunde kamen in Mode.
    Bis zu ihrer Mietwohnung waren es nur wenige Minuten Fußweg. Aus der Eckkneipe torkelte ein Betrunkener. Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss. Unsicher blieb er vor einem Haufen aus zusammengeräumtem Schnee und Eis stehen. Er schwankte, öffnete den Hosenschlitz und pinkelte erst auf seine Schuhspitzen und dann in den Schnee. Dampfend fraß der Urin ein gelbes Muster ins Weiß.
    Die Kneipentür flog erneut auf, und eine dralle Frau brüllte. „Du altet Dreckschwein, hinten raus iss Klo!“
    „Jezz hör schon uff“, lallte der Mann und taumelte mit offenem Reißverschluss zurück ins Warme. „Wasse ma da hinten, Elfriede?“
    „Ick? Uff det Männerklo?“
    „Een Dreckloch is det, sach ick dir.“
    „Trotzdem Drecksau. Ick will jezz sofort nach Hause.“
    „Hier is doch unsa Zuhause!“
    Die Kneipentür fiel hinter dem Paar ins Schloss.
    Vor dem Hauseingang zu Helianes Altbauwohnung streute der türkische Hausmeister Asche auf den vereisten Gehsteig und nickte ihr freundlich zu. Seine Kinder spielten auf der Treppe des Vorderhauses und begrüßten sie mit freudigen Rufen. Die sechsjährige Tochter rannte ihr entgegen und packte sie bei der Hand. Die dunklen Augen glänzten erwartungsvoll. „Wann gibst du mir wieder Unterricht, Heli?“
    „Im Moment habe ich leider keine Zeit, Sevim“, vertröstete sie das Kind, das neben ihr herhüpfte und sie bis zum Hof begleitete. „Und außerdem ist dein Deutsch schon sehr gut.“
    „Nein, nein“, protestierte die Kleine. „Du hast nur keine Lust.“
    Heliane

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