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Berlin Fidschitown (German Edition)

Berlin Fidschitown (German Edition)

Titel: Berlin Fidschitown (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D B Blettenberg
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großflächiges Firmenschild der Eignergesellschaft kündigte den Gewerbehof an, von dem Haller gesprochen hatte. Der Schlagbaum neben dem Pförtnerhaus stand offen, und als er zügig das Schalterfenster passierte, schaute der uniformierte Wachmann nicht einmal von der Zeitung auf.
    Auf dem Hof stand zwischen Altbauten und einem Büroneubau eine Lagerhalle mit Laderampe. Der Flachbau machte äußerlich einen verwahrlosten Eindruck, aber unter seinem Dach pulste das Leben. Vietnamesische Händler diverser Branchen hatten ihre Stände zu einem asiatischen Markt aufgebaut. Auf Farang machte das Arrangement eher den Eindruck einer trostlos kalten und abgespeckten Version heimatlicher Markthallen, aber er musste zugeben: Es war alles vorhanden, und die Atmosphäre war vertraut. Der Betonklotz vibrierte vor fernöstlicher Geschäftigkeit und Energie. Er streifte die Kapuze vom Kopf, wickelte den Schal vom Hals, knöpfte Anorak und Mantel auf und schlenderte unbehelligt durch die Gänge, vorbei an Textilien, Lebensmitteln, Kunsthandwerk, Haushaltswaren und Unterhaltungselektronik. Die Oase schien Anlaufpunkt für Großhändler und Kleinkunden zu sein: Japaner, Thai, Chinesen, Koreaner, und vor allem Vietnamesen. Kaum ein europäisches Gesicht war zu sehen.
    Umso unübersehbarer war der Mann, der in besseren Zeiten als Pate von Pattaya firmiert hatte. Farang hatte die Lagerhalle gerade verlassen und in einem leer stehenden Büroraum im ersten Stock des Neubaus Beobachtungsposten bezogen, als eine Luxuslimousine auf den Hof fuhr und vor dem Eingang zum Markt parkte. Es schneite nicht mehr, und das Tageslicht mühte sich redlich, das Gelände auszuleuchten. Ein gutbetuchter Asiate stieg aus, schlug die Fahrertür zu und verschwand in der Halle. Seine Begleiterin, eine Seifenopernausgabe von Imelda Marcos, blieb auf dem Beifahrersitz hocken, klappte die Sonnenblende herunter, musterte ihr Gesicht im Schminkspiegel und kramte nach ihrem Lippenstift. Eine der hinteren Wagentüren wurde aufgestoßen, und Gustav Torn stieg aus dem Fond.
    Als Großer Kurfürst war er sichtlich gealtert. Die blonde Bürste, die ihn in Thailand geschmückt hatte, war zu einer schütteren Mähne ausgewachsen, deren graue Strähnen er im Nacken zu einem kurzen Pferdeschwanz zusammengebunden trug. In besseren Tagen in Pattaya war er mit einer schlanken und hochaufgeschossenen Figur aufgefallen, die jedem Basketballer zur Ehre gereichte, und die er stets kerzengerade hielt. Inzwischen ging er leicht gebückt, als misstraue er seinen Bandscheiben. Vorsichtig schob er die Wagentür ins Schloss, warf einen argwöhnischen Blick in die Runde, raffte seinen Lodenmantel vor der Brust zusammen und schlich wie ein Kuli in die Markthalle.
    Der Anblick verleitete Farang nicht zu falschen Illusionen. Torn hatte nie auf seine Physis gesetzt. Einer wie er hatte das nicht nötig. Körperliche Arbeit, auch gewalttätige, überließ er seinen Helfern.
    Kaum war Torn in der Halle verschwunden, tauchte ein unscheinbarer Opel auf und parkte neben der Laderampe. Eine Frau stieg vom Fahrersitz, wählte eine Nummer auf ihrem Mobiltelefon und ging langsam zum Heck des Wagens, während sie telefonierte. Sie trug Jeans, eine hüftlange Seemannsjacke mit Pelzkragen, Schnürstiefel und keine Kopfbedeckung. Die dicken blonden Haare, die das Gesicht wie ein Helm umrahmten, boten genug Schutz gegen die Kälte.
    Sportlich wie immer!
    Romy Asbach musste inzwischen Ende vierzig sein, aber er hatte sie sofort erkannt. Nachdem sie ihr Telefonat erledigt hatte, beobachtete er, wie sie erneut hinter dem Steuer des Opels Platz nahm. Für eine polizeiliche Überwachungsaktion benahm sie sich ein wenig sorglos. Keine Deckung. Kein Partner. Aber womöglich lauerte ganz in der Nähe noch eine gut getarnte Hundertschaft auf den Einsatz.
    Wie dem auch war – alle Welt machte den Eindruck, geduldig auf Gustav Torn zu warten.

30
    „Es ist alles vorbereitet“, sagte der greise Vietnamese mit dem Ho-Chi-Minh-Bart. Sein Französisch klang wie müdes Vogelgezwitscher, und die Geste mit der er seine Nichte mit der Teekanne entließ, war kraftlos aber eindeutig.
    Als das Mädchen nach draußen ging, schwappte ein Schwall des geschäftigen Lärms aus der Markthalle in den notdürftig abgetrennten Raum hinter dem Gemüsestand, begleitet von einem kühlen Luftzug, der für einen Augenblick die Leistung des kleinen Heizlüfters minderte.
    Gustav Torn nickte und nahm die Schale mit heißem Tee entgegen, die

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