Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Berlin Fidschitown (German Edition)

Berlin Fidschitown (German Edition)

Titel: Berlin Fidschitown (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D B Blettenberg
Vom Netzwerk:
Mobiltelefon!“
    „Natürlich.“
    Der Greis hielt Torn ein abgegriffenes Buch hin. „Nehmen Sie das hier mit. Es dient den Männern, die sie abholen, als Ausweis und Ihrem zukünftigen Gastgeber als willkommene Lektüre. Er braucht dringend Nachschub.“ Er lächelte zum ersten Mal.
    Torn nahm das Buch. Er konnte nur die lateinischen Buchstaben erkennen, wusste aber, dass es Vietnamesisch war. Es sah einfach aus, war aber schwer zu sprechen. Trotzdem hatte er sich für alle Fälle schon ein paar Brocken von diesem Neuvietnamesisch angeeignet, das vom Regime in Hanoi unter dem Druck der Globalisierung in die Welt gesetzt wurde – was ihm im Moment aber nicht sonderlich half.
    „Die Märchen der Gebrüder Grimm.“
    Gustav Torn war sprachlos. Eine Weile starrte er auf die Schriftzeichen. Dann bemerkte er, wie der elegant gekleidete Asiate, mit dem er gekommen war, den Raum betrat und schweigend neben der Tür wartete. Er hatte den Besuch für Einkäufe genutzt, trug zwei voll gepackte Plastiktüten. Er stellte die Tüten ab, ging zum Altartisch, und schob die beiden Glaskugeln zusammen, bis sie sich berührten. Kaum hatte er sich wieder aufgerichtet, versuchten die Kampffische auch schon, wie von bösen Geistern besessen, aufeinander loszugehen. Mit einem bösartigen Lächeln betrachtete der Anstifter das Schauspiel – bis er den strafenden Blick des alten Mannes bemerkte. Das Lächeln gefror augenblicklich, und mit unterwürfig gekrümmtem Rücken zog sich der jüngere Asiate wieder neben die Tür zurück und verharrte dort.
    Torn räusperte sich. „Haben Sie noch einen Rat für mich?“, fragte er Großvater zum Abschied. Auch sowas kam bei greisen Asiaten gut an. Das verächtliche Grinsen, mit dem der Mann neben der Tür den offensichtlichen Opportunismus quittierte, entging ihm nicht. Gerade der hatte es nötig. Verzogener Saigon-Adel allererster Güte. Ein dekadenter Parvenü, der einem bei jeder Gelegenheit die drei Insignien des erfolgreichen Vietnamesen vorbetete: ein französisches Haus, chinesisches Essen, und eine japanische Frau. Die Geisha hatte er auch schon. Saß draußen im Wagen.
    Der Greis entsprach der Bitte seines Besuchers mit leiser Stimme: „Das Leben wartet mit Schwierigkeiten auf. Trotzdem müssen Sie sich nach vorne bewegen. Haben Sie dabei keine Angst, Fehler zu machen, aber achten Sie darauf, dass sich die Fehler nicht häufen, und beschönigen Sie niemals Ihre Schwierigkeiten.“
    Gustav Torn nickte gehorsam.
    „Mein Neffe wird Sie jetzt zurückbringen“, beendete Großvater das Treffen.
    Torn verabschiedete sich unter Beachtung aller Etikette.
    „Und vergessen Sie das Märchenbuch nicht, wenn Sie zur Bärenbrücke gehen“, erinnerte ihn der Greis noch einmal.

31
    „Darf ich erfahren, was Sie hier zu suchen haben?“, fragte der junge Mann mit der randlosen Brille.
    Farang hatte dem Fenster schon beim ersten Geräusch den Rücken zugekehrt und setzte sich mit einem verbindlichen Lächeln dem strengen Buchhalterblick aus. Er hatte das Firmenschild genau gelesen, bevor er den Gang betreten hatte und schließlich in das leer stehende Büro geschlüpft war. Bambussplitter e.V. war angeblich ein eingetragener Verein für Völkerverständigung und kulturelle Begegnung . Schon dieser weitgespannte Anspruch war Grund genug, voll auf den Asiatenbonus zu setzen.
    „Ich muss mich entschuldigen“, sagte er betont höflich, während er einen flüchtigen Blick aus dem Fenster warf, um Hallentor, Opel und Limousine nicht ganz aus den Augen zu verlieren, „aber ich habe mich wohl verirrt. Ich bin gerade erst aus Bangkok angekommen und – ehrlich gesagt – noch ein wenig vom Jetlag geplagt.“
    Der junge Mann entspannte sich. „Sie wollen zu uns?“
    „Nun“, spann Farang seine kleine Geschichte fort und vergaß dabei nicht, erneut aus dem Fenster zu schauen, „es sieht so aus, als hätte mir jemand die falsche Adresse gegeben, denn ich suche eine Organisation, die sich Aprikosenhain nennt und sich speziell mit Thailand beschäftigt.“
    „Die kenne ich leider nicht. Wir kümmern uns hier ausschließlich um Vietnam.“ Der junge Mann zog ein Tempotaschentuch aus der Hosentasche, nahm seine Brille ab und putzte sie sorgfältig.
    Nicht der Hauch einer Reaktion auf die Vorgabe. Hatte dieser Asienexperte nie etwas davon gehört, dass Bambus und Aprikosenbaum unzertennliche Freunde waren? Auch die Art, wie der Mitarbeiter des Vereins „wir kümmern uns“ sagte, ließ Schlimmes für die

Weitere Kostenlose Bücher