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Berlin Fidschitown (German Edition)

Berlin Fidschitown (German Edition)

Titel: Berlin Fidschitown (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D B Blettenberg
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nach einer Mischung aus Opium, Räucherstäbchen und schwarzem Tabak, und Torn fragte sich, wie wohl hier unten Heizung und Lüftung funktionieren mochten.
    Sein Gastgeber saß in einem Stuhl, der einem Kaiser alle Ehre gemacht hätte, und sah sich einen französischen Spielfilm mit Jean-Paul Belmondo und Alain Delon an. Er zog dabei gierig an einer Zigarette, blies genüsslich den Rauch aus und hüllte sein Haupt in bläuliche Schwaden. Er widmete sich dem Tabakstängel mit einer Hingabe, die etwas Erotisches hatte. Als er Torn bemerkte, regelte er den Ton leiser und sah ihm erwartungsvoll entgegen.
    Der Blick war schwer zu ertragen. Das lebende Auge war kohlrabenschwarz und flackerte nervös. Das tote Auge glänzte eisigblau. Angeblich hatte das Glasauge einem französischen General gehört, der in der Schlacht von Dien Bien Phu gefallen war. Der „bunte Blick“ gehörte zum Mythos um den Obersten Befehlshaber, von dem man sagte, er halte sich in seinen entrückteren Phasen für eine Reinkarnation des legendären Le Loi, eines Guerillakämpfers, der Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts erfolgreich gegen die Chinesen revoltiert und die Le-Dynastie begründet hatte.
    Nach allem, was Torn gehört hatte, musste der Oberste Befehlshaber inzwischen um die siebzig Jahre alt sein. 1975 hatte er sich mit Hilfe der Amis aus Saigon abgesetzt, gerade noch rechtzeitig, um dem Vietcong nicht in die Hände zu fallen. Damals war er Mitte vierzig gewesen. Heute zierten ihn eine Unzahl Gesichtsfältchen und eine pergamentartige Blässe, die den Opiumabhängigen zeichneten. Den Eindruck, geistig weggetreten oder übergeschnappt zu sein, vermittelte er nicht. Nur die schneeweiße Paradeuniform mit der stattlichen Ordenssammlung hatte etwas Bizarres. Vermutlich das Lametta, das ihm als General der südvietnamesischen Armee verliehen worden war.
    Torn hatte zum ersten Mal in Chiang Mai von ihm gehört. Damals war er gemeinhin als General Xuong bekannt. Angeblich marodierte er in jenen Tagen, zum Leidwesen der Burmesen, Chinesen und anderer selbst ernannter Kriegsherren, mit versprengten Resttruppen durch das Goldene Dreieck und machte vor allem Geschäfte mit korrupten Thai-Offizieren. Später sollte er sich nach Kalifornien abgesetzt und in Orange County ein kleines Vermögen mit Fischkonserven gemacht haben. Aber das waren natürlich alles nur Gerüchte.
    Torn wich dem bunten Blick aus und starrte in die Kerzenflammen.
    „Fünf meiner besten Männer sind verschwunden“, sagte der Oberste Befehlshaber. „Ich fürchte, sie sind tot.“
    Deshalb trug er wohl die Paradeuniform. Wenn er sich nicht täuschte, stand die Farbe Weiß in der Heimat seines Gastgebers für Trauer, aber es musste schließlich nicht alles eine tiefere Bedeutung haben – wie im Märchen. Er überreichte das Buch, das ihm Großvater anvertraut hatte.
    „Sie machen mir eine große Freude.“ Der Oberste Befehlshaber blätterte flüchtig in den Seiten und legte den Band gedankenverloren auf eine Videokasette mit dem Abbild der Deneuve. „Setzen Sie sich, Gustav.“
    Güüstaavv . Schon wieder Französisch.
    Der Oberste Befehlshaber las die Botschaft aus der Miene seines Gastes ab. „Oder sollen wir Englisch miteinander reden, mein Freund“, fragte er in passablem Amerikanisch.
    „Wenn es Ihnen nichts ausmacht. Es geht mir etwas flüssiger über die Lippen.“
    „Kein Problem, mein Lieber, kein Problem.“ Der Gastgeber deutete auf einen Sessel. „Nehmen Sie doch bitte Platz, und lassen Sie uns gemeinsam den Schluss ansehen. Wir haben doch jetzt genug Zeit.“ Lächelnd wartete er ab, bis Torn sich gesetzt hatte. „Ich habe mich zwar in Abwägung der kulturellen Vorzüge unserer diversen Besatzer entschieden, vor allem das französische Erbe in Maßen hochzuhalten, aber natürlich beuge ich mich gerne dem weltbeherrschenden Slang unserer amerikanischen Freunde, auch wenn sie uns damals im Stich gelassen haben.“ Er inhalierte tief. „Was die Chinesen angeht, so sind wir uns wohl in unserer tiefen Abneigung einig.“
    So wie der Mann schwafelte, hätte er Politiker werden sollen.
    „Zigarette?“ Der Oberste Befehlshaber zeigte auf ein Päckchen Gitanes, das mit einem goldenen Feuerzeug auf einem Stapel Videos lag. „Bedienen Sie sich nur.“
    Torn griff zu.
    Dem Obersten Befehlshaber genügte der Anblick der Filmstars voll und ganz. Er ließ sie einfach weitermurmeln, ohne den Ton wieder hochzuregeln. Stattdessen widmete er sich der Unterhaltung mit

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