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Berlin Fidschitown (German Edition)

Berlin Fidschitown (German Edition)

Titel: Berlin Fidschitown (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D B Blettenberg
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du wieder auf den Beinen bist, brauch ich eine Führung. Direkt nach Neujahr, an der U-Acht. Die nächste offizielle und genehmigte Begehung der Arbeitsgruppe soll in der Dresdener Straße sein. Das nützt mir im Moment wenig.“
    Rudi grinste verschmitzt. „Ick halte mir bereit, meine Holde!“
    „Jetzt schlaf erst mal.“ Bevor sie Farang winkte und den Verschlag verließ, fragte Heli noch: „Soll ich das Licht ausmachen?“
    „Nee, lass man. Ick fühle mir sicherer so“, antwortete Mollen-Rudi und vergrub sich dabei wieder tief in seinem Deckenmix.

58
    Kurz vor Mitternacht versetzte der Oberste Befehlshaber seine Truppen in Alarmbereitschaft und erklärte den Ausnahmezustand in seinem Reich.
    War schon das mysteriöse Verschwinden seiner Konkubine ein Rückschlag, der ihn dazu bewogen hatte, einen Suchtrupp auszusenden, so war die Nachricht, die ihn wenige Stunden später erreichte, noch verheerender.
    Harry Nams Neffe war tot. Ermordet. Abgestochen, wie ein Schwein. In der Küche. Sein Onkel, der allseits verehrte Großvater, hatte ihn und den Koch auf den Kacheln gefunden, beide starr und im eigenen Blut. Der Koch von Kugeln zerfetzt. Und, was die Situation für Großvater ins Unerträgliche steigern musste, die Hälfte der Kuckucksuhren war ebenfalls massakriert. Großvater hatte die Nacht, wie so oft, in Geldgeschäften im Markt verbracht und war, konfrontiert mit dem Chaos in seiner Villa, offenbar so außer sich gewesen, dass er die beiden Wachposten noch im Kofferraum des Volvos, in dem sie eingesperrt waren, liquidiert hatte. Eine ungewöhnliche Tat für einen wie Harry Nam. Schließlich war er ein Greis. Großvater konnte jedermann mit Eiseskälte in den finanziellen Ruin treiben, und er war auch fähig, jemanden langsam zu Tode zu bringen – aber im Affekt? Die Japanerin konnte von Glück sagen, noch in Mailand zu sein. Im Zustand der Trauer um seinen Neffen war Großvater zu allem fähig. Nur einen einzigen ihrer hysterischen Anfälle, die Harry Nam zutiefst verabscheute, und er besorgte ihr eine eigene Urne.
    Wer mochte hinter dem Anschlag stecken?
    Bruder Tunnel?
    Oder gar die Chinesen?
    Der Oberste Befehlshaber zündete sich eine neue Gitane an. Er wollte Gustav Torn nicht mehr Ehre antun als nötig, aber der Tod des Neffen trug ganz und gar nicht die Handschrift des Vietcong. Also waren die Chinesen nicht ganz auszuschließen. Er musste sich mit seinem Gast darüber unterhalten. Aber nicht mehr in dieser Nacht. Er griff zu einer Videokassette und lächelte.
    „Indochine“ mit Cathérine Deneuve.
    Genau das richtige Programm, um dem Morgen entgegenzusehen.

59
    „Was habt ihr beide eigentlich da unten zu suchen – in Tunneln und Bunkern ...?“
    „Rudi war mal Streckenläufer bei den Berliner Verkehrsbetrieben. Der kennt sich aus wie kein Zweiter. Leider säuft er, und sie haben ihn gefeuert. Jetzt ist er obdachlos, na ja, du hast ja selbst gesehen, wie es ihm geht.“ Heli nippte an ihrem Bier. „Ich heure ihn ab und zu als Führer an und zahl ihm was dafür.“
    „Und wohin führt er dich?“
    Heli hüllte sich in Schweigen.
    Ein Betrunkener warf seinen Stuhl um und torkelte zum Ausgang der Eckkneipe. Bevor er die Tür erreichte, rief die dralle Frau, die er am Nebentisch zurückgelassen hatte: „Hajo! Hinten raus iss Klo!“
    Hajo hielt schwankend inne und lallte: „Jezz lass ma jefälligst in Ruhe.“ Er stolperte nach draußen und ein Schwall frostiger Luft mischte den warmen Mief auf.
    Die Tür fiel ins Schloss, und die Dralle brüllte: „Dreckschwein!“
    Der Wirt schmunzelte und widmete sich dem Zapfhahn, als kenne er die Vorstellung zur Genüge.
    Farang spielte mit einem Bierdeckel und suchte nach einem unverfänglichen Thema, um Heli wieder zum Sprechen zu bringen. „Sagt dir der Name Ruth Andreas-Heinrich was?“
    „Friedrich“, antwortete sie wie aus der Pistole geschossen. „Ruth Andreas-Friedrich, eine Journalistin. Widerstandskämpferin gegen die Nazis.“
    „Journalistin und Schriftstellerin.“
    Heli lächelte. „Ja. Eine Kombination mit der ich mich auch herumschlage. Wie kommst du auf die Frau?“
    „Ich habe eine Gedenkplakette für sie gesehen.“
    „Am Fichtenberg.“
    „Richtig.“
    „Und was hast du da gemacht?“
    Er zögerte.
    „Siehst du“, spottete sie. „Du erzählst mir auch nicht alles. Ich kenne die Ecke gut. Bevor ich nach Neukölln umgezogen bin, habe ich in Steglitz gewohnt. Ich habe dort eine Zeit lang Führungen gemacht, so genannte

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