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Berlin Fidschitown (German Edition)

Berlin Fidschitown (German Edition)

Titel: Berlin Fidschitown (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D B Blettenberg
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„Das hätte da auch passieren können.“
    Farang nickte und sah Heli weiter an, als habe er noch keine Antwort erhalten.
    Sie wich seinem Blick aus. „Ich wollte näher an meinem Thema sein ... für die Buch-Recherche ...“
    „An der Untergrundbahn acht?“
    „So ist es.“
    „Und warum gerade die?“
    Sie musterte ihn lange, forschte in seinem Gesicht, bevor sie sagte: „Das ist eine sehr persönliche Geschichte.“
    „Verstehe“, murmelte er enttäuscht, fest entschlossen, sie damit in Ruhe zu lassen.
    Aber sie redete weiter.
    „Man nennt die Strecke auch die Bunkerlinie. Beiderseits liegt eine stattliche Anzahl unterirdischer Anlagen – auch Luftschutzräume, alte und neue. Einen davon hat meine Großmutter bei einem Bombenangriff im Zweiten Weltkrieg nicht mehr rechtzeitig erreicht. Sie wurde verschüttet. Die genaue Stelle ist nicht bekannt. Ihre Leiche wurde nie gefunden. Sie hat bis heute kein anständiges Grab.“
    „Ich verstehe ...“
    „Meine Mutter hat damals überlebt. Sie war schon im Bunker. Normalerweise war sie bei Fliegeralarm immer bei Großmutter – in jener Nacht war sie aber mit einer Tante vorausgegangen. Wäre es nicht so gewesen, gäbe es mich wahrscheinlich gar nicht.“
    „Das wäre schade.“ Farang lächelte, aber Heli nahm es gar nicht wahr. „Lebt deine Mutter noch?“, fragte er vorsichtig.
    „Meine Eltern sind beide tot.“
    „Das tut mir leid.“
    „Sie sind bei einem Verkehrsunfall umgekommen. Ich hatte jedenfalls kein besonders gutes Verhältnis zu ihnen. Milde gesagt. Vielleicht bedeutet mir die Erinnerung an meine Großmutter und ihr Schicksal auch deswegen so viel.“ Heli trank einen Schluck Bier.
    „Und deshalb hast du dich auf Tunnel und Bunker spezialisiert und willst das Buch schreiben ...“ Farang lehnte sich zurück. „Suchst du sie da unten?“
    Heli starrte in ihr Bierglas. „Suche ich sie? Nicht wirklich. Das ist wohl hoffnungslos. Aber mich mit diesem Thema zu beschäftigen, gibt mir das Gefühl, Großmutter nahe zu sein und ihr Andenken zu bewahren.“
    „Das ist gut so.“
    Sie lachte leise. „Manchmal denke ich, ich habe einen Knall.“ „Das sehe ich anders.“
    Sie nahm seine Hand und drückte sie sanft. „Danke.“
    Er genoss die Berührung wie ihren Duft, der selbst im Kneipenmief nicht untergegangen war.
    Sie zog ihre Hand zurück und warf dabei einen Blick auf die Armbanduhr. „Und was meine Exkursionen in die Unterwelt angeht. Ich habe zwar gute Kontakte zu einer Gruppe, die unterirdische Anlagen genehmigterweise durchforstet, aber sie tun das nicht immer an den Stellen, die mich interessieren. Abgesehen davon dauert das auch immer. Alles muss beantragt werden, und es braucht seine Zeit, bis die Bürokratie ihre Zustimmung erteilt, wenn der Verein was Neues auskundschaften will. Deshalb halte ich mir Rudi warm.“
    Sie winkte dem Wirt und holte ihre Geldbörse aus dem Rucksack. „Du musst mich einfach nur zur Silvesterparty des Vereins begleiten, da gibt es mehr über Tunnel und Bunker, als dir lieb sein wird.“ Sie musterte Farang mit ernster Miene – als wolle sie einer Absage vorbeugen.
    Der Wirt nahm den Kugelscheiber, der hinter seinem Ohr steckte, rechnete Helis Deckel ab und entschuldigte sich noch einmal für Hajos Auftritt. Vor der Kneipentür traf sie die Kälte der frostklaren Nacht. Farang zögerte. Er betrachtete die Urinspuren im Schnee, bis Heli ihm die Entscheidung abnahm.
    „Bringst du mich noch das Stück zur Tür?“
    „Gerne.“
    Sie stapften los.
    „Du hast mir noch gar nicht gesagt, warum du mich heute besuchen wolltest.“

60
    Silvester unter Tage.
    Das hatte er noch nicht erlebt. Er lag hellwach auf seiner Matratze und starrte an die Bunkerdecke. Das Lampenfeld, die Richtungspfeiler und der Orientierungsstreifen über dem Ausgang waren noch zu erahnen – wie schwach phosphoreszierende Sterne in einem pechschwarzen All.
    Es war der zweite Morgen in seiner neuen Bleibe, der letzte Tag des Jahres, und er hauste wie ein Maulwurf unter der Erde. Für alles gab es eben ein erstes Mal, und Kalender hin, Kalender her: Für seine Gastgeber lief noch für eine ganze Weile das alte Jahr ab. Der Oberste Befehlshaber hatte den Abschluss der wichtigsten Verhandlungen bis Ende Januar in Aussicht gestellt. Das war noch lange hin, aber er hatte nicht vor zu drängeln. Er hatte es nicht eilig. Ganz im Gegenteil. Er wollte seine Geschäftsanteile langsam und sorgfältig einbringen, Stück für Stück. Nur solange er

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