Berlin Fidschitown (German Edition)
einen ausreichend attraktiven Teil des Kuchens zurückhielt, war sein Leben sicher. Er machte sich keine Illusionen. Im Moment garantierten die Vietnamesen sein Leben und schützten ihn vor den Chinamännern. Nicht weil sie Samariter waren, sondern weil die Fusion von hohem Interesse für sie war.
Er musste sich im Rahmen dieser Verschmelzung eine unanfechtbare Position erobern – damit er nicht selbst weggeschmolzen wurde. Bislang hatte er noch immer einen Weg gefunden, um seinen Status zu wahren. Er pflegte seine Karten mit Bedacht zu spielen. Der wichtigste Gesprächspartner war Großvater. Schließlich ging es um Bares und Sachwerte, und vor allem um die dazugehörige Infrastruktur und das Personal, das sie wie geschmiert in Gang hielt. Großvater war ohne Zweifel ein ausgebuffter Geschäftemacher, aber auch er hielt sich für einen abgebrühten Zocker mit guten Nerven, mit Zeit und Geduld. Er hatte in Thailand warten gelernt, und er hatte vor, die Asiaten in ihrer ureigenen Domäne auszusitzen. So lange, bis seine Interessen gewahrt waren.
Er hatte vor, zu überleben – aber nicht, um danach mit eingekniffenem Schwanz durchs Dasein zu kriechen. Oft genug war er als scheinbar schwächerer Partner in Projekte eingestiegen, die er dann später kontrolliert hatte. Den Verteilungskrieg, der anstand, konnte er weder alleine führen noch gewinnen. Dazu brauchte er fremde Truppen. Sollte der Oberste Befehlshaber ruhig siegen. Danach kam die Zeit der Kriegsgewinnler. Wie die Geschichte bewies, war es den asiatischen Horden zwar schon früher gelungen, bis in hiesige Breiten vorzudringen, sie hatten sich jedoch nie auf Dauer halten können. Und die Geschichte wiederholte sich, immer wieder, davon war er fest überzeugt.
Das entfernte Rumpeln des ersten U-Bahnzuges zeigte ihm den Tagesbeginn an. Zeit, sich frisch zu machen, um pünktlich zum Frühstück zu erscheinen. Sein Gastgeber legte großen Wert auf Pünktlichkeit, und je früher am Tag man hier unten aus der Isolation gerissen wurde, desto besser.
Gustav Torn stand auf, schaltete das Neonlicht ein, und die „Besucher-Suite“ erstrahlte im kalten Glanz ihres spartanischen Ambientes.
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Unter einer Silvester-Party hatte Farang sich etwas anderes vorgestellt. Er saß auf einem harten Klappstuhl in einem Bunker und las im Veranstaltungsprogramm des auslaufenden Jahres.
31. Dezember
Bunker Blochplatz, U-Bhf-Gesundbrunnen
Zugangsbauwerk Badstraße/Ecke Hochstraße
Diskussionsveranstaltung „Unter uns im Untergrund – Perspektiven im unterirdischen Berlin“
19:00 Uhr – Führung „Der Bunker Blochplatz –
Verkehrsbauwerk der U-Bahn, Luftschutzbunker im
2. Weltkrieg, Zivilschutzanlage in den 80er Jahren“
19:30 Uhr – Vorstellung des Vereins „Hades“
19:40 Uhr – Kurzvortrag „Anmerkungen zu einer
subterranen Metropole der Zukunft“ von
Hilmar Stenzel, Senat für Bauwesen
20:00 Uhr – Diavortrag „Momentaufnahmen von
Bunkern, Tunneln und Stollen der Hauptstadt“
von Georgia Brand und Heliane Kopter
20:45 Uhr – Diskussion mit Beiträgen von Max Cornelius,
Barbara Wutora und Horst Mueller-Troste
Moderation: Georgia Brand
21:30 Uhr – Umtrunk zur Gründung des Vereins
„Hades“ mit anschließender Tanzparty zum Jahresausklang
23:30 Uhr – Spaziergang zur Humboldthöhe im Volkspark
Humboldthain. Kleines Feuerwerk mit „Prosit-Neujahr“
auf der obersten Plattform des ehemaligen Hochbunkers.
Seit einer guten Stunde hockte er inmitten zahlreicher Gäste und versuchte, den Beiträgen zu folgen. Heli hatte ihren Lichtbildvortrag mit Georgia Brand bereits absolviert und wieder neben ihm Platz genommen. Er hatte ihr, bei anhaltendem Applaus des Publikums, anerkennend zugenickt. Heli war sichtlich stolz auf die Show.
Inzwischen moderierte Georgia, die Heli ihm vor der Veranstaltung vorgestellt hatte, die Podiumsdiskussion. Herr Cornelius und Herr Mueller-Troste trugen mit höflichen Worten eine Meinungsverschiedenheit über die Bedeutung der Bunker ehemaliger Nazi-Größen aus. Cornelius war dafür, sie als Denkmal zu erhalten, und als Mueller-Troste das für sehr bedenklich hielt, sprach Cornelius plötzlich von unverzichtbaren Mahnmalen. Einer der beiden Männer war Leiter des Alliierten Museums, der andere Kunsthistoriker an der Hochschule der Künste. Wer was war, wusste Farang nicht mehr so genau, obwohl Georgia Brand die Teilnehmer ausführlich vorgestellt hatte. Nur bei Frau Wutora war er sicher, die Leiterin der Polizeigeschichtlichen
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