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Berlin Fidschitown (German Edition)

Berlin Fidschitown (German Edition)

Titel: Berlin Fidschitown (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D B Blettenberg
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Stadtspaziergänge, um ein bisschen zusätzliches Geld zu verdienen. Ich war damals noch im Volontariat. Der Fichte war meine Spezialtour. Immerhin achtundsechzig Meter hoch. Die höchste Erhebung im Bezirk. Steglitz war mal das größte Dorf Preußens. Am Fichtenberg oder Fichteberg gibt es eine Menge Gebäude mit Geschichte. Das Wrangel-Schlösschen. Die Schwartzsche Villa. Aber was erzähl ich dir? Die Tour dauerte eine gute Stunde und für zehn Mark wärst du dabei gewesen.“ Sie trank ihr Bier aus und signalisierte dem Wirt die nächste Runde.
    „Die geht aber auf mich“, sagte Farang.
    „Nix da, in meiner Eckkneipe kann ich mir sowas gerade noch leisten.“
    Er gab klein bei und kam zum Thema zurück. „Ich habe an einem der Giebel was wie Kaiser-Wilhelm-Jubiläum oder so ähnlich gelesen.“
    „Kaiser Wilhelm Jubiläums-Stiftung des Waisenhauses der französisch reformierten Gemeinde“, spulte sie routiniert ab. „In der Gegend gibt es einige Gedenktafeln und Inschriften. Nicht alle aus erfreulichem Anlass ...“ Sie verstummte.
    „Zum Beispiel?“
    Der Wirt brachte zwei frische Pils und machte zwei Striche auf Helis Deckel.
    „Zum Beispiel: Unter den Eichen, Hausnummer hundertfünfunddreißig. Dort hat zur Zeit der Nazis die SS den wirtschaftlichen Gewinn aus den Konzentrationslagern verwaltet.“
    Farang schaute zu, wie der Schaum langsam an seinem Glas hinunterlief und den Bierdeckelaufdruck Gebraut nach dem deutschen Reinheitsgebot langsam aufweichte.
    „Unter dem Fichtenberg hat die SS damals ein Stollensystem angelegt, das den Angehörigen ihrer Dienstellen als Luftschutzbunker diente. Nicht wenige der Ranghöchsten wohnten in Villen auf dem Hügel.“
    Farang spitzte die Ohren.
    „Sie haben damals von drei Seiten aus Schächte in den Berg graben lassen und mit Stollen untereinander verbunden. KZ-Häftlinge mussten die Dreckarbeit machen. Die Zugänge wurden später gesprengt. Als die Staatsanwaltschaft Köln mehr als zwanzig Jahre nach Kriegsende nach Anklage-Dokumenten gegen ehemalige SS-Angehörige suchte, wurde alles wieder aufgebuddelt und ausgewertet. Das war für die meisten Anwohner des Fichtenbergs das willkommene Schlusskapitel einer schmutzigen Geschichte. Mit der Existenz von Tunnel und Stollen unter dem eigenen Grundstück verhielt es sich für viele wie mit der berühmten Leiche im Keller. Inzwischen haben sie die unterirdische Peinlichkeit vergessen oder verdrängt. Heute überwintern Fledermäuse in der Gruft.“
    „Fledermäuse?“
    Was hatte der Dressman nach dem Massaker an den Kuckucksuhren gesagt? Sie wecken noch die Fledermäuse auf! Fledermäuse sind Glücksbringer in meiner Heimat!
    Bevor Farang weitere Fragen stellen konnte, kam Hajo vom Pinkeln zurück und taumelte mit offenem Reißverschluss zurück ins Warme.
    „Dreckschwein, sach ick“, begrüßte die Dralle ihren Partner. „Ma pullert nüsch einfach inn Schnee.“
    Hajo rülpste. „Wasse ma uff det Männerklo, Elfriede?“, begehrte er zu wissen. Er blieb vor der Drallen stehen und fummelte fahrig am Hosenschlitz herum. „Een Dreckloch is det. Aba det sach ick dir ja nüch zum erstenma.“
    Der Wirt sah vom Zapfhahn auf. „Das will ich nicht gehört haben, Hajo!“
    Die öffentliche Zurechtweisung von dritter Seite produzierte einen Kurzschluss in Hajos Hirn. „Du sei ma stille. Du hass hier jarnüch zu melden“, brüllte er den Wirt an. „Du hass doch schon an die Japse verkauft.“ Seine rot unterlaufenen Augen funkelten Farang bösartig an.
    „Nu lass ma jut sein, Hajo“, lenkte der Wirt ein.
    Hajo schwankte gefährlich, hielt aber Blickkontakt zu Farang.
    „Platz!“, befahl die Dralle.
    „Wohin ick kicke, Jelbe und Schwatte“, nölte Hajo lauthals weiter.
    „Das reicht jetzt!“ Der Wirt kam angewalzt und schob ihn zu seinem Stuhl.
    Bevor Hajo sich setzen konnte, sagte Heli zu ihm: „Sie haben braune Arschlöcher wie sich selbst vergessen!“
    Hajo bäumte sich auf. „Det muss ick mir nich jefallen lassen.“
    Die Dralle erhob sich schwerfällig und zog ihn weg. „Wir jehn jezz sofort nach Hause.“ Energisch schubste sie ihn zur Tür und rief dem Wirt zu: „Schreib allet an, Otto!“
    Die Kneipentür fiel hinter dem Paar ins Schloss, und der Wirt verzog sich mit einem bedauernden Achselzucken hinter den Zapfhahn.
    Farang konzentrierte sich wieder auf Heli.
    „War Steglitz nicht die schönere Wohngegend?“
    „Fragst du das wegen dem Blödmann, der gerade gegangen ist?“ Sie schnaubte.

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