Berlin Gothic 4: Der Versteckte Wille
so lange wie Max unterwegs sein wollen“, wich Quentin aus.
„Ist doch okay für dich, oder?“, Henning sah wieder zu Max, blinzelte aber, als hätte er plötzlich was im Auge, „wenn Quentin mal erzählt. Was in Riga war, meine ich.“
Max schnaubte. „Meine Güte … da war doch gar nichts.“ Da noch nicht …
„Na bitte.“ Henning nickte Quentin zu, der sich inzwischen eine Zigarette angezündet hatte und damit über den Rand des Aschenbechers in der Tischmitte wischte. „Also, sag doch mal … in Riga … von dort aus bist du nicht mehr mit Max mitgefahren. Und wieso?“
Max sah Henning beim Sprechen zu. Sollte er dem Tisch einfach den Rücken kehren, weggehen, während sie hier über ihn redeten?
„An dem Abend … keine Ahnung … ich hatte irgendwie genug … “, hörte er Quentin zögerlich antworten.
„Was für ein Abend?“
Quentin warf Max einen verunsicherten Blick zu.
„Klar, erzähl‘s!“, Max atmete aus. Auch egal!
Quentin zog an seiner Zigarette. „Es war ziemlich heiß an dem Abend“, begann er, wobei ihm der Zigarettenrauch aus dem Mund strömte, „und wir saßen am Rand eines Parks in einem Café in Hafennähe, also Max und ich … da näherte sich eine kleine Gruppe von Letten unserem Tisch. Drei Männer und eine Frau. Zunächst habe ich sie gar nicht beachtet, aber als sie sich direkt an den Nachbartisch setzten - das ganze Lokal war sonst leer - habe ich doch zu ihnen geschaut. Und kaum hatte mein Blick ihre Gesichter gestreift, wurde ich unruhig, denn … “, er sah wie abschätzend in Hennings Gesicht, „ich konnte mich nicht daran erinnern, jemals solche Visagen gesehen zu haben.“
Henning blickte kurz zu Max, dann aber zurück zu Quentin.
„Vielleicht lag es an der Dunkelheit, die nur durch die Laternen des Cafés erhellt wurde“, fuhr der fort, „vielleicht an meiner Müdigkeit oder daran, dass ich so gut wie nichts gegessen hatte, jedenfalls kamen mir die Augen des einen stumpf vor … weißt du, wie das Fell einer toten Katze oder so was … während die des anderen leuchteten … wie eine eiternde Wunde?“ Quentin runzelte die Stirn und blickte auf den Tisch. „Unwillkürlich habe ich meinen Stuhl ein wenig nach hinten gerückt, um so weit wie möglich von ihnen entfernt zu sein … aber Max … “, Max spürte, wie schwer es Quentin fiel, die ganze Sache zu erzählen, und wie er doch nicht anders konnte, als Henning, der immerhin sein Vorgesetzter war, zu antworten, „ … Max begann, mit einer für mich unbegreiflichen Ahnungslosigkeit, auf das radebrechende Englisch einzugehen, mit dem einer der Männer versuchte, ein Gespräch anzuknüpfen.“
„War das so?“ Henning schaute zu Max, scheinbar belustigt und doch nicht ganz in der Lage zu verbergen, dass er sich fragte, was für ein Mensch sein neuer Verwandter nun eigentlich war.
Max breitete betont müde die Hände aus und hielt Hennings Blick stand. Ich werde Quentin nicht daran hindern, das zu erzählen, dachte er, das macht mir doch nichts aus!
„Was sollte ich tun“, fuhr Quentin fort, „sah Max nicht selbst, dass wir uns vor diesen Leuten in Acht nehmen sollten? Ich war von dem Eindruck, den sie auf mich machten, so beunruhigt, dass ich schon zu überlegen begann, ob wir ihnen vielleicht entkommen konnten, wenn wir in unser Hotel zurück rannten . Es war zwar nur einen kurzen Fußmarsch entfernt, aber ich erinnerte mich, dass der Mann, der uns die Zimmerschlüssel ausgehändigt hatte, gesagt hatte, dass nach elf - und es musste längst nach Mitternacht sein - das Eisengitter am Haupteingang verschlossen sein würde und wir klingeln müssten. Aufstehen, wegrennen von diesen Leuten - und dann? Nicht schnell genug in das Hotel hineinkommen, weil niemand das Eisentor öffnete? Während sie uns einholen würden und davor überwältigen?! Lieber sollten wir ohne größere Auseinandersetzung von diesen Nachtgestalten fortkommen, dachte ich, und fing also an, so beiläufig wie möglich Max zuzuraunen, dass es doch spät geworden sei inzwischen und wir vielleicht aufbrechen sollten.“
Max studierte seine Handrücken, die vor ihm auf dem Tisch lagen. Gut, das war nicht zu leugnen: So hatte es sich zugetragen. Er spürte, wie Henning und auch Malte ihm hin und wieder einen Blick zuwarfen, achtete aber darauf, ihren Augen nicht zu begegnen, sondern wandte den Kopf zur Seite, wie um die noch immer ankommenden Hochzeitsgäste zu beobachten, die sich um die anderen Tische auf dem Rasen
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