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Berlin Gothic 5: Nachts Bei Max

Berlin Gothic 5: Nachts Bei Max

Titel: Berlin Gothic 5: Nachts Bei Max Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Winner
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dürfen.“
    Er hockt sich vor sie, greift nach ihren Händen, sieht ihr direkt ins Gesicht. Ihre Augen sind vielleicht ein bisschen weniger schön, weniger katzenartig, weniger verführerisch als die von Claire, und doch erinnern sie ihn an die Augen ihrer Schwester. „Du musst mir sagen, was du weißt, Betty.“
    Sie schüttelt stumm den Kopf, aber nicht, wie um sich gegen ihn zu wehren, sondern wie um zum Ausdruck zu bringen, dass das alles doch keinen Sinn mehr hat.
    „Überall - wo, Betty? Was ist überall? Was meinst du mit überall?“
    Ihre Stimme ist nur noch ein Flüstern. „Hast du denn nicht davon gehört? Das Haus am Alexanderplatz … “
    Natürlich hat er davon gehört.
    „Es sind nicht nur zwei oder drei Frauen, Butz, es ist überall.“
    Seine Hände schließen sich kraftvoll um ihre dünnen Handgelenke.
    „Was soll das denn heißen, Betty - hilf mir! Ich verstehe dich nicht!“
    Sie zuckt zusammen, Butz weiß, dass er ihr weh tut - aber nicht viel, nur ein bisschen. Ein winziges bisschen verglichen mit dem Schmerz, der Henning durchzuckt haben muss, als die Kugel seine Stirn durchbohrt hat.
    „Ich weiß nur, dass du jemanden nachjagst, den es nicht gibt, Butz“, flüstert sie. „Es ist kein einzelner Täter, es ist überall. Und es breitet sich aus. Niemand, Butz, hörst du?, niemand wird dagegen ankommen. Es wird über uns, über die Stadt hereinbrechen wie eine Flutwelle.“
    Sie spricht wie in Trance.
    „Sie haben diese Frauen gejagt“, hört er sie weiterflüstern, „die Frauen, wegen deren Tod du ermittelst. Sie haben sie gejagt, Henning hat es mir selbst erzählt. Die Frauen haben versucht zu fliehen, sind auf Händen und Füßen über den Boden gekrabbelt - und ihnen doch nicht entkommen.“ Ihre Augen scheinen sich von dem klaren Blau, das Butz von den Bentheims kennt, in ein dunkles Violett zu verfärben.
    „Betty … was … was redest du denn da? Wie kommst du darauf?“ Er darf nicht zulassen, dass sie sich in ihren konfusen Vorstellungen verliert - dass sie versinkt in der Wirrnis, in die sie durch Hennings Tod, durch den Schuss gestürzt sein muss.
    „Du kannst nichts dagegen tun, Butz! Was du jagst, ist ein Phantom. Siehst du es nicht? Begreifst du es nicht? Der Mann, den du suchst, existiert nicht! Es ist kein wahnsinniger Einzeltäter, der diese Frauen auf dem Gewissen hat!“
     


     
    Vor zwei Jahren
     
    „Sie ist phantastisch, oder?“ Max hatte die Augenbrauen spöttisch nach oben gezogen.
    Till bemerkte, wie der Blick ihrer schwarzen Augen ihn traf. Für einen Moment vergaß er die anderen Menschen, die sich auf den niedrigen Sesseln und an den kleinen Tischen im ganzen Saal verteilt hatten. Es musste an ihren Proportionen liegen, an der Linie, die von ihren Schenkeln über die Brust bis zum Hals führte - vielleicht an der Stellung ihres Gesäßes, das durch die engen Schuhe und die hohen Absätze in eine bestimmte Haltung gezwungen wurde … oder an der Weise, in der ihr Haar aufgetürmt war, an dem Blick ihrer Augen, an dem Schwung ihrer Lippen. An etwas, von dem Till nicht genau wusste, was es war, das jedoch von ihr ausging und dem nicht nur er, sondern auch die anderen Gäste - wie er an der atemlosen Stimmung im Saal spürte - geradezu hilflos ausgeliefert waren.
    Max hatte ihn am Abend spät noch im Verlagshaus direkt aus Maltes Büro abgeholt und hierher geführt. In diesen rot-schwarzen Saal, den sie eben betreten hatten, mit seiner verzierten Stuckdecke, den hoch aufsteigenden Logenplätzen und den zerschlissenen Samtsesseln. Es erinnerte an eine Miniaturausgabe eines großen Opernsaals aus dem neunzehnten Jahrhundert. Statt Arien wurden den Gästen jedoch Getränke und Snacks an die Plätze serviert, und auf der Bühne stolzierten keine Sänger umher. Stattdessen war die schwarzäugige junge Frau darauf zu sehen, die mit Federn und Stöckern zu einer Art überdimensionalem Vogel umkostümiert worden war.
    „Willst du hier vorn bleiben, oder sollen wir gleich nach hinten durchgehen?“ Ein Dutzend weiterer als Tiere verkleideter Mädchen erschien auf der Bühne.
    „Nach hinten?“ Till wandte sich unwillkürlich Max zu. Hinter die Bühne?
    Max lachte und zog ihn am Arm.
     
    Der Türsteher, der den kleinen Durchgang neben der Bühne bewachte, schien Max zu kennen, denn er nickte nur, als sie vor ihm auftauchten, und ließ sie ohne weiteres passieren. Sie gelangten in ein Vorzimmer, das wie das kleine Theater ganz mit rotem Samt ausgeschlagen

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