Berlin Gothic 5: Nachts Bei Max
war.
„Hier hinten kann man die Tänzerinnen kennenlernen“, sagte Max und wandte sich zu Till um, grinste aber, als er dessen Gesichtsausdruck sah. „Nein, Quatsch!“ Er trat an eine hohe Doppelflügeltür, die aus dem Vorzimmer herausführte, und stieß sie auf. „Viel besser!“
Eine Wolke von Zigarettendunst schlug ihnen entgegen. Ein paar Gesichter schauten auf, um die Neunankömmlinge zu inspizieren, als sie jedoch Max erkannten, beugten sie sich wieder über den großen Tisch in ihrer Mitte. Gut zwanzig oder dreißig Männer und Frauen hatten sich darum gruppiert, zum Teil auf den verschiedenartigsten Stühlen, zum Teil aufrecht stehend - ausnahmslos aber auf das Geschehen konzentriert, das sich auf der Platte vor ihnen abspielte. Für einen Augenblick war Till schon darauf gefasst, eine nackte Schönheit auf dem Tisch liegen zu sehen, von deren makellosen Körper die Anwesenden die merkwürdigsten Delikatessen naschen würden - tatsächlich aber erblickte er etwas sehr viel Gewöhnlicheres: Ein Raster mit roten und schwarzen Zahlen auf grünem Grund, eine Art schwarze Schale, sowie Stapel von Münzen und Scheinen vor jedem Gast. Sie spielten Roulette! Allerdings nicht an einem professionellen Spieltisch, sondern auf einem selbstgebastelten Plan. Die Zahlen und Felder waren mit größter Sorgfalt auf grünem Filz aufgemalt, und der Plan selbst auf einen riesigen antiken Tisch genagelt worden. Vor allem aber spielten die Gäste - anders als in einem echten Casino - nicht etwa um Chips und Plastikkarten, sondern um echtes Geld.
„Was meinst du - wollen wir ein bisschen mitmischen?“ Max sah Till fragend an und biss sich auf die Unterlippe.
Ich hab kein Geld für sowas, dachte Till. „Vielleicht gleich“, sagte er, „aber mach nur.“ Sein Blick fiel auf eine Bar, die im hinteren Bereich des langgestreckten Raums eingerichtet war. „Ich hol uns erstmal was zu trinken.“
Als er wenig später mit den Getränken zum Spieltisch zurückkehrte, sammelte Max gerade ein paar Münzen von dem Filz ab. Der Croupier in Jeans und Pullover hatte sie ihm mit einem Schieber zugeschoben, der aussah wie eine Fliegenklatsche.
„Komm schon, versuch auch mal dein Glück.“ Max warf einen Zwanziger auf Rot und hielt Till eine Hand mit weiteren Scheinen und dem eingesammelten Geld entgegen.
Till zögerte kurz, dann nahm er ebenfalls einen Zwanziger und setzte ihn auf Gerade.
„Nichts geht mehr.“
Der Croupier hatte die weiße Holzkugel in das sich bereits drehende Rouletterad geschnipst. Sie klackerte, sprang und blieb in einem der Fächerchen liegen. Auch wenn alles andere selbstgebaut war - das Rouletterad war echt.
„Achtzehn, rot, gerade.“
Hej … Max stieß Till in die Seite und gluckste. Der Croupier schob einen zweiten Zwanziger zu Tills Einsatz über den Filz. Da Max seinen Schein liegen ließ, beschloss Till, das Gleiche zu tun.
„Willst du dich setzen?“ Max deutete auf einen Platz vor ihnen, der gerade frei wurde. Aber bevor Till reagieren konnte, glitt auch schon eine Frau an ihm vorbei und setzte sich auf den Stuhl. Sie trug eine schwere Lederjacke, die sie über ihr dünnes Kleid geworfen hatte.
„Dreißig, rot, gerade.“
Jetzt lagen schon vier Zwanziger von ihm vor Till auf dem Tisch. Er beschloss, die weiteren Entscheidungen über die Scheine Max zu überlassen. Es war ja ohnehin sein Geld. „Ich geh nochmal Getränke holen.“ Till hatte keine Lust, auf Max‘ Kosten zu spielen - und nicht genug Geld, um es auf eigene Kappe zu versuchen.
Max achtete nicht auf ihn. Er hatte seinen Einsatz erneut liegen gelassen und die Kugel rollte schon wieder.
„Du hättest sie sehen sollen“, sagte Max eine halbe Stunde später, als er in die Sitzecke kam, in der Till es sich gemütlich gemacht hatte. „Sie hat meinen Hunderter gnadenlos liegen gelassen und gewonnen - liegen gelassen und gewonnen - liegen gelassen und gewonnen.“
Till sah auf. „ Deinen Hunderter?“
Max ließ sich in einen Sessel Till gegenüber fallen. „Ja, meinen Hunderter, aus dem sie in drei Runden immerhin zweitausendsiebenhundert gemacht hat!“ Er fuhr sich durchs Haar. „Wenn ich nicht darauf bestanden hätte, dass wir den Gewinn teilen, hätte sie das Geld so lange liegen gelassen, bis es wieder ganz weg gewesen wäre!“ Gemeint war natürlich die Frau mit der Lederjacke. Max und sie waren ins Gespräch gekommen, kaum dass Till die zweite Runde Drinks abgeliefert und die beiden allein gelassen
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