Berlin Gothic: Thriller
es nicht länger auszuhalten und aufspringen zu müssen - da riss der Strom der Töne plötzlich ab, sein Vater richtete sich hinter ihm auf und seine Stimme, in der die Drohung wie ein feinstes Zittern einmoduliert war, schnitt Max ins Ohr. „Ich werde nicht dulden - dass du dich nicht bemühst .“
„Ich, Papa … wirklich … “, jetzt flossen Max die Tränen übers Gesicht, „ich habe mich bemüht, den ganzen Nachmittag“ - aber da packte sein Vater schon Maxens Kopf und drehte ihn so, dass Max ihm ins bleiche Antlitz starren musste.
„Ich werde nicht dulden, dass dich nichts interessiert, dass du nichts kannst, dass du nichts weißt.“ Die Stimme seines Vaters war klar, beinahe überklar, überdeutlich, überschön.
Max senkte den Kopf, wagte es aber nicht, den Blick abzuwenden. „Es tut mir leid“, stammelte er und ahnte verschwommen, wie jämmerlich er aussehen musste, während er um Nachsicht flehte.
Im gleichen Moment zog sich das Gesicht seines Vaters zusammen, Max sah, wie sich die Jämmerlichkeit seines eigenen Ausdrucks im Ekel des anderen spiegelte – dann flog etwas auf ihn zu, traf ihn in den Augen, auf der Nase, den Lippen. Bentheim stieß ihn zurück, Max stürzte mit den Armen auf die Tasten des Flügels – dumpf antworteten die Saiten des Instruments hinter der hölzernen Verkleidung. Den Kopf in den Armen verborgen hörte Max, wie sich die harten Straßenschuhsohlen seines Vaters über das Parkett entfernten. Aber er schaute nicht auf, denn sein Gesicht brannte vor Scham und war nass, weil sein Vater hineingespuckt hatte.
7
Heute
Es ist absolut still. Absolut dunkel.
Butz’ Handflächen pressen auf sein Gesicht. Er bekommt keine Luft.
Hmmm Hmmmmhmhmhhmm
Sein Leben fließt aus ihm heraus. Er hat noch eine Minute - vielleicht zwei?
Er kann nicht denken, er stürzt nur dem Loch entgegen, aus dem es keine Wiederkehr gibt.
Panik.
Der Druck auf der Brust.
Das Blut in seinem Hirn scheint zu kochen.
Verzweifelt schiebt er die Hände zusammen, drückte sie gegen sein Gesucht und presst sie zurück in den Sand - um sie einen Millimeter, einen Hauch weit von seinem Gesicht zu lösen, einen Spalt weit von seiner Nase, seinem Mund, seinen Augen zu heben -
Da!
Wie ein Industriesauger zieht Butz die Luft aus dem winzigen Spalt heraus, den er aufgepresst hat - schon heben sich seine Lider durch den Unterdruck, den er erzeugt -
Hmmmmmpfffffffffff …
WEITER WEITER -
Noch ein Stück, der Erfolg gibt ihm Kraft. Er nimmt seine Unterarme zu Hilfe, schiebt sie mit aller Gewalt nach oben - und erstarrt. Die verzweifelte Anstrengung hat seine Schultermuskeln verkrampft, sie glühen -
Hmmmmmpfffffffffff … Pffffffffffff
Hmmmmmpfffffffffff … Pffffffffffff
… Ihm schwindelt. Es ist zu wenig! Der Spalt ist zu klein! Seine Handflächen berühren noch immer die Nasenspitze - die Luft aber, die Butz wieder und wieder in seine Lungen pumpt, ist heiß schon, so oft hat er sie bereits ausgeatmet, heiß, stickig, giftig, nur Abfall noch, den sein Körper übriglässt - und den er doch wieder und wieder in sich aufsaugen muss, wie ein Verhungernder, der …
Seine Gedanken driften ab. Wie lange noch? Eine Minute? Eine halbe?
Er wird sterben in dem Sandloch …
Hmmmmmpfffffffffff …
Da ergreift ein anderer Gedanke von ihm Besitz. Warum hat er sich heute früh nicht richtig von ihr verabschiedet? Er hatte überlegt, ob er noch einmal umkehren sollte, hat es jedoch nicht getan. WARUM?
Butz fühlt, wie seine Augen nass werden. Er hätte es ihr sagen müssen! Er hätte sie in den Arm nehmen müssen, sie an sich drücken, sie nicht mehr loslassen. Es hat es versaut!
Haben sie denn keinen Bagger, keinen verdammten Kran auf der Scheiß-Baustelle hier?! Können sie denn die Böschung nicht einfach wegreißen, den verdammten Sand von ihm runterschieben!
Der Bauleiter hat doch gesehen, wie er verschüttet worden ist!
Hmmmmmpfffffffffff …
Butz muss husten - würgen - Tröpfchen verfangen sich in dem winzigen Spalt, aus dem heraus er atmet …
Sie können ihn doch hier nicht verrecken lassen, das bisschen Sand -
Er spürt, wie jeder Muskel versteinert, wie der Schweiß seinen Rücken bedeckt - aber der Sand hält ihn fest, kriecht immer tiefer in seine Ohren, presst sich enger an seine Seiten, seine Schläfen, seine Kopfhaut.
Es ist seine Schuld, niemand sonst ist schuld daran - dass er es ihr nie gesagt hat …
Dass er ihr nie gesagt hat, wie sehr er sie liebt.
Und jetzt ist
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