Berlin Gothic: Thriller
es zu spät.
BERLIN GOTHIC 1
Dritter Teil
1
Rückblende: Vor zwölf Jahren
„Verändert? Wie verändert?“ Xaver Bentheim steuerte den Jaguar durch den abendlichen Verkehr Richtung Stadtmitte. Es regnete und durch die Windschutzscheibe hindurch sahen die Rücklichter der anderen Autos wie verschmierte Farbkleckse aus.
„Ich kann es gar nicht so genau sagen … “ Julia verengte die Augen ein wenig und warf ihrem Mann vom Beifahrersitz einen Blick zu. „Ich – “ Sie unterbrach sich und setzte neu an. „Aber lass uns lieber ein andermal darüber sprechen.“
„Ernsthaft?“ Xaver wandte den Blick nicht von der Straße.
„Ich sag doch, Xaver, es hat keinen Sinn. Wir sprechen morgen in Ruhe darüber. Nicht im Auto.“
„Ich kann einen Moment halten … “
„Lass uns lieber weiter fahren, Felix wartet sicher schon.“ Julia bemerkte, dass Xavers Augen eine Spur dunkler zu werden schienen. „Reg dich nicht auf, es ist nichts. Sicher habe ich mir das nur eingebildet.“
Xaver lächelte, fuhr aber weiter. „Was denn nun? Habe ich mich verändert oder nicht? Ich meine, das ist eine ernste Sache. Oder? Immerhin heiratet man einen bestimmten Menschen, weil man ihn liebt - so wie er ist, richtig? Wenn er sich nun verändert … dann stellt sich natürlich die Frage, ob das, was man geliebt hat, nicht verloren gegangen ist.“ Xaver warf ihr einen verschmitzten Blick zu. „Oder habe ich da was falsch verstanden?“ Seine Augen lachten.
„Ich liebe dich, Xaver.“ Julia hob die Hand und strich ihm eine Haarsträhne vorsichtig aus der Stirn. Wahrscheinlich hatte sie sich wirklich getäuscht. Verändert - er hatte sich verändert? Was sollte das schon heißen. Wahrscheinlich … nein: sicher war es die Arbeit am neuen Buch. Das machte ihm zu schaffen. Er hatte ja auch mehrfach Andeutungen in der Richtung gemacht. Aber das wollte sie jetzt nicht ansprechen. Sie hatte schon recht gehabt, als sie gemeint hatte, dass sie besser ein andermal darüber reden sollten.
Ohne Vorwarnung klatschte sie ihm mit der Hand, mit der sie ihm eben übers Haar gestrichen hatte, gegen die Wange. „Na los, gib ein bisschen Gas, wir müssten längst da sein!“
Mehrere Limousinen warteten bereits vor dem Eingang des wuchtigen Baus der Firma von Quitzow, als Xaver mit dem Jaguar in die Seitenstraße zwischen Unter den Linden und Gendarmenmarkt einbog, in der sich das Gebäude befand. Xaver manövrierte den Wagen ans Ende der Schlange und hielt. Durch die hin und herpendelnden Scheibenwischer hindurch sah Julia, wie ein Mann mit einem gewaltigen, bordeauxroten Schirm an die nacheinander vorfahrenden Limousinen trat, die Tür aufriss, und die Gäste mit seinem Schirm vor dem Regen schützend zum Eingang begleitete. Dort standen Valets bereit, die hinter das Steuer des mit laufendem Motor wartenden Wagens sprangen und zügig durchstarteten, um den nachfolgenden Limousinen Platz zu machen.
Es war das erste Mal, dass Julia mit Xaver zusammen zu von Quitzow fuhr, von dessen Abendeinladungen sie schon viel gehört hatte. Xaver war erst seit einem knappen Jahr bei Felix von Quitzow unter Vertrag und in dieser Zeit hatte sich für sie bisher noch keine Gelegenheit ergeben, die Firma zu besuchen. Dabei war Julia das Gebäude von außen durchaus vertraut. Oft schon war sie daran vorbei gelaufen und hatte sich gefragt, was sich wohl hinter den trutzigen Mauern und meterhohen Fenstern, die auch im Erdgeschoss weit über Straßenniveau lagen, verbergen würde. Xaver hatte ihr erzählt, dass ein Schinkel-Schüler den Bau vor gut hundert Jahren entworfen und als Hauptfiliale eines damals florierenden Berliner Bankhauses errichtet hatte. Nach dem Crash von 1929, dem auch das Bankhaus zum Opfer gefallen war, hatte das schwerfällige und doch beeindruckende Gebäude zur Nazi- und DDR-Zeit jahrzehntelang leer gestanden, bis Felix es vor einigen Jahren als baufällige Ruine erworben und mit einigem Aufwand wieder instand gesetzt hatte.
Jemand riss die Wagentür neben Julia auf. „Darf ich Sie zur Tür begleiten?“ Das großflächige Gesicht des Mannes mit dem Schirm blickte sie an.
Julia schlang ihren Mantel um sich, stieg aus dem Wagen und bückte sich unter den Schirm, während feiner Regenstaub ihr Gesicht benetzte. Der Mann neben ihr berührte vorsichtig ihren Arm und führte sie um den Wagen herum. Erst jetzt bemerkte sie, dass auf dem Bürgersteig vor dem Eingang ein roter Teppich verlegt war, der
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