Berlin Gothic: Thriller
vom Regen vollgesogen dunkel schimmerte. Dann hatte Julia die offene Eingangshalle des Gebäudes erreicht und goldenes Licht, das von zahlreichen altmodischen Glasleuchtern ausging, löste den dunkelblauen Schimmer der feuchten Nacht ab.
„Bist du nass geworden?“ Xaver schob seine Hand unter ihren Arm und ging neben ihr die Freitreppe empor, die von der Vorhalle aus nach oben führte.
Julia lächelte und schüttelte den Kopf. Nein, es war nichts. Jetzt war sie doch froh, es vorhin im Wagen einmal angesprochen zu haben: Dass sie sich Sorgen machte und in letzter Zeit das Gefühl bekommen hatte, Xaver könnte sich vielleicht … ja: ein wenig verändert haben.
2
Linker Hand öffnete sich auf dem Treppenabsatz im ersten Stock eine wohl vier Meter hohe, zweiflüglige Eichenholztür. Dahinter erstreckte sich ein Saal, der größer zu sein schien als ein Kirchenschiff. Unter der tiefroten Decke brodelte ein Stimmengewirr von gut hundert Gästen, die in den unterschiedlichsten Gruppierungen zusammenstanden. Fast benommen von der Lebendigkeit und Pracht des Eindrucks betrat Julia an Xavers Seite den Saal.
Eine junge Frau kam auf sie zu, um ihr den Mantel abzunehmen. Kaum hatte sie das Kleidungsstück abgelegt, hörte Julia Xaver schon hinter sich rufen.
„Komm!“ Er machte ihr ein Zeichen, wirkte aufgeregt und wie ungeduldig, sich endlich in das Gewühl zu stürzen. „Dahinten ist Felix, ich will ihn gleich begrüßen!“
Julia nickte. Gemeinsam schlängelten sie sich durch die anderen Gäste hindurch.
Felix von Quitzow war klein, etwa so groß wie Julia, ein paar Jahre älter als Xaver, vielleicht Ende vierzig, und in einen maßgeschneiderten, außerordentlich eleganten Anzug gekleidet. Sein Gesicht war fein geschnitten, die Haare trug er kurz und als er Julia ansah, hatte sie das Gefühl, seine hellen, beinahe übergroßen Augen würden sie förmlich abtasten.
„Xaver! Julia!“ Freudestrahlend kam er auf sie zu, den Gästen, die er dabei vorsichtig beiseite drücken musste, freundlich zulächelnd und auch noch ein, zwei Hände schüttelnd, bevor er sie erreicht hatte.
Er ergriff Julias Hand, zog sie sanft zu sich und berührte ihre Wange mit der seinen. Ein oder zwei Küsse, dachte Julia noch - da hatte er sie schon losgelassen und sich an Xaver gewendet. „Das ist so schön, dass ihr kommen könnt.“ Er sah zu Julia. „Sie waren noch nie bei uns, richtig?“
Julia lächelte. „Das Haus ist großartig.“
„Warten Sie, bis ich Ihnen meine Wohnung gezeigt habe.“ Felix’ Augen blitzten und er deutete mit dem Zeigefinger an die Decke. „Oben, unterm Dach. Ein befreundeter Architekt, Manteuffel, kennen Sie ihn? Er hat den Ausbau für mich entworfen.“ Er blickte wieder zu Xaver. „Du warst mal bei mir, oder?“
Julia schaute ebenfalls zu ihrem Mann. Ihr fiel auf, wie freudig erregt Xaver noch immer wirkte. „War ich, mein Lieber, war ich“, sagte er, dann fing er Julias Blick auf, und es kam ihr so vor, als würde das selbstvergessene Lächeln, das eben noch in seinem Gesicht gespielt hatte, von einem leisen Anflug von Achtsamkeit beiseite geweht. Aber da berührte Felix sie schon am Arm.
„Maja Oetting - Julia Bentheim“, hörte sie ihn sagen und als sie wieder zu Felix blickte, war eine schlanke junge Frau an seine Seite getreten, die Julia freundlich anschaute.
„Maja hilft mir seit Anfang des Jahres im Büro“, erläuterte Felix, während Julia und die junge Frau einander begrüßten, „ich wüsste fast nicht mehr, wie ich noch ohne sie zurechtkommen sollte.“
„Wie schön Sie einmal kennenzulernen.“ Maja strahlte Julia an. „Schreiben Sie denn auch - wie ihr Mann?“ Der Ausdruck einer ebenso reinen wie verführerischen Unschuld war in Majas Gesicht so stark, dass es Julia fast ein wenig verwirrte.
„Nein“, Julia blickte zu Xaver, „und manchmal bin ich ganz froh darüber, wenn ich sehe, was mein Mann zum Teil für Phasen durchmacht.“ Warum begrüßt er Maja nicht, ging es ihr durch den Kopf, hat er sie heute schon gesehen? Gleichzeitig bemerkte sie, dass Felix sich umgewandt hatte und Xaver jemanden zeigte, der hinter ihnen stand, so dass sich auch Xaver jetzt umdrehen musste.
„Ja?“ Majas Augen glänzten. „Wenn man die Sachen Ihres Mannes liest, hat man den Eindruck, ihm fliegt das alles einfach so zu. Als müsste er sich nur an den Schreibtisch setzen und schon würden sich die Sätze wie von selbst zusammenfinden.“
„Das müssen Sie ihm mal
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