Berlin-Krimi 03 - Notlandung
und du auch. Ich war zu dem Zeitpunkt schon zu tief darin verstrickt, ich dachte mir nur noch, Augen zu und durch. Sie haben gesagt, dass sie mich gegebenenfalls finden würden, egal, wo ich mich verstecken würde. Du kannst mich dafür verachten, Beryl, aber ich hatte Angst.«
»Und wessen Idee war das mit den Kindern?«
»Keine Ahnung, Beryl, wirklich nicht! Zu dem Zeitpunkt haben sie schon lange nicht mehr mit mir gesprochen. Aber für mich sieht es so aus, dass die, nachdem der brutale Weg nicht klappen wollte, eben die Taktik geändert und es anders versucht haben. Sie haben mich mal beiläufig gefragt, ob du dich der Familie von Marcel gegenüber verantwortlich fühlen würdest, und ich habe das genauso beiläufig bejaht.«
Er sah in die Runde, aber keiner antwortete ihm.
Lennard musste feststellen, dass es ihm schwerfiel, Denis immer noch zu verachten. Er war in etwas hineingeraten, das zu groß für ihn geworden war. Und wer weiß, vielleicht hätte er selbst sogar genauso reagiert.
Beryl saß lange da.
»Ich denke, wir wissen dann alles, was wir wissen sollten. Ich packe ein paar persönliche Sachen ein, und dann will ich raus hier.«
Beryl stand auf und verließ den Raum.
»Wie geht es jetzt weiter?«, fragte Stefanie.
»Was weiß ich? Es sieht so aus, als ob die aus der Airline aussteigen wollen, um jeden Preis. Sie bieten ihre Anteile zum Kauf an, ganz legal und mehr oder weniger öffentlich. Aber keiner will sie im Moment haben. Es gibt Gerüchte, wir hätten Probleme mit dem technischen Zustand unserer Maschinen und wir stünden kurz davor, unsere Betriebserlaubnis zu verlieren. Ist alles Blödsinn, aber alle warten jetzt erst mal ab, was in nächster Zeit passieren wird. Wenn die Betriebserlaubnis durch die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung zurückgezogen würde, wäre das der Todesstoß für unsere Airline. Die Leute würden nicht mehr mit uns fliegen, auch wenn wir die Betriebserlaubnis wiedererlangen würden. Verlorenes Vertrauen beim Kunden kann man in unserer Branche kaum wiedererlangen. Im Augenblick sind die Anteile an Filomena Airways nichts wert. Allerdings soll Sami Saab, eine Private-Equity-Legende aus London, Interesse haben. Sieht so aus, als ob er die Anteile hinterhergeschmissen bekommt.«
Beryl unterbrach das Gespräch.
»Ich habe alles«, sie deutete auf eine kleine Tasche, »von mir aus können wir.«
Sie verließen die Wohnung, ohne sich von Denis zu verabschieden.
Im Fahrstuhl auf dem Weg nach unten traute sich Lennard endlich zu fragen, er platzte fast vor Neugier.
»Ich weiß, es geht mich nichts an, und wahrscheinlich hältst du mich für blöd, dass mich das so interessiert, wo wir doch genug andere Sorgen haben …«
»Spar dir die langen Vorreden, frag mich, was du wissen willst, Lennard.« Beryl war klar, dass sie nicht darum herumkam, Fragen über ihre Beziehung zu Denis zu beantworten. Sie hatte zwar keine Lust, darüber zu reden, aber Lennard hatte ein Anrecht auf eine Antwort.
»Würdest du mir verraten, was du mitgenommen hast?«, er deutete auf die Tasche.
Beryl lachte erleichtert.
»Aber gerne: das Fotoalbum mit den Fotos meiner Eltern, mein Kuscheltier, mein Flugtagebuch und meinen Lieblings-BH. Der Rest ist ersetzbar.«
28
Nach ihrem Besuch bei Denis kamen Beryl, Stefanie und Lennard zurück ins Hotel. Monika und die Kinder waren schon im Bett, und so berichteten sie Dimitrios, was sie erfahren hatten.
»Interessant, ich habe inzwischen mal wieder ein wenig herumtelefoniert. Es sieht so aus, als ob das Ganze eine Überreaktion der mittleren Führungsebene war, wenn wir das mal so nennen wollen. Als die plötzlich kein Zeug mehr nach Europa bekommen haben und deshalb anfingen, Marktanteile auf der Straße zu verlieren, haben sie Panik bekommen. Das führte von einer unüberlegten Aktion zur nächsten, und damit haben die sich dann immer tiefer reingeritten. Das Ganze ist schließlich völlig aus dem Ruder gelaufen, und der Höhepunkt war wohl der Versuch, das Flugzeug abstürzen zu lassen. Es sieht so aus, als ob die oberste Führungsebene erst jetzt mitbekommen hat, was ihre Mitarbeiter für ein Chaos angerichtet haben, und sie versuchen deshalb jetzt, Schadensbegrenzung zu betreiben. Von daher stimmt es, was Denis euch erzählt hat, die wollen ihr Geld aus der Airline abziehen und untertauchen.«
»Das heißt, wir bekommen einen Deal: unser Schweigen und den Koffer für deren Wohlwollen?«, fragte Lennard.
»So sieht es aus, wir
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